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Elgeti setzt sich bei Francotyp durch

Von Helmut Kipp, Frankfurt Börsen-Zeitung, 11.11.2020 Der Machtkampf bei Francotyp-Postalia steuert aufs Finale zu. Am Dienstag entzog die Hauptversammlung auf Betreiben des Großaktionärs Rolf Elgeti, der über seine Obotritia Capital 28,01 % der...

Elgeti setzt sich bei Francotyp durch

Von Helmut Kipp, FrankfurtDer Machtkampf bei Francotyp-Postalia steuert aufs Finale zu. Am Dienstag entzog die Hauptversammlung auf Betreiben des Großaktionärs Rolf Elgeti, der über seine Obotritia Capital 28,01 % der Stimmrechte hält, dem CEO Rüdiger Andreas Günther das Vertrauen. Eine solche Eskalation zwischen Vorstandschef und Großaktionär ist ziemlich einmalig in der deutschen Wirtschaft. Normalerweise verständigt man sich in Fällen wie diesen auf eine Abfindung und der CEO verlässt das Haus. Nicht so der 1958 geborene Günther, ein erfahrener Manager, der beim Landmaschinenhersteller Claas zum Sprecher der Geschäftsführung aufstieg, bei Infineon und später bei Jenoptik als CFO arbeitete und, wenn auch vergeblich, bei der Rettung des Handelskonzerns Arcandor half. Er lehnte den vorgeschlagenen Aufhebungsvertrag ab, der ihm nach den Angaben auf der Hauptversammlung 1 Mill. Euro einschließlich variabler Vergütungen aus Vorjahren beschert hätte. Das sei im Interesse des Unternehmens. Dabei ist der designierte Nachfolger, der gebürtige Däne Carsten Lind, seit Monaten im Haus.So kam es zum öffentlichen Showdown auf der zuvor dreimal verschobenen Hauptversammlung. Dass Elgeti bei der Abstimmung die Oberhand behielt, war angesichts einer Präsenz von 57,8 % einschließlich Briefwahl absehbar. Am Ende unterstützten 84,5 % der abgegebenen Stimmen den Vertrauensentzug. Mit ähnlichem Ergebnis wurde dem CEO die Entlastung verwehrt.Günthers Tage dürften damit gezählt sein. Beobachter gehen davon aus, dass der neu formierte Aufsichtsrat infolge des Misstrauensvotums seine Bestellung widerrufen wird. Der gebürtige Rostocker Elgeti, der früher als Aktienstratege tätig war, den Wohnungskonzern TAG leitete und heute vor allem als Immobilieninvestor agiert, hätte sein Ziel erreicht. Investoren fragen sich, wie es bei dem in Berlin ansässigen Hersteller von Frankier- und Kuvertiermaschinen weitergeht, der an der Transformation in die digitale Welt arbeitet. Bei der Berufung Linds, der vom Finanzinvestor Bavaria Industries kam, waren Spekulationen über eine mögliche Zerschlagung aufgekommen.Der Antrag auf Vertrauensentzug sei willkürlich, nicht substanziiert und unpräzise begründet und demzufolge gegen die Interessen des Unternehmens, polterte Günther in seiner Rede. Er hielt Obotritia vor, Kritik über die Medien anzumelden, ohne Konkretes und Prüfbares mitzuteilen, und beredt über Motive zu schweigen: “Das schadet dem Ansehen der Gesellschaft.” Wettbewerb outperformtDer Großaktionär seinerseits moniert, dass der Vorstand bei der ACT-Strategie (Attack, Customer, Transformation) die Ziele verfehlt habe und intransparent handele. Im Segment Mail Services, das für 30 % des Umsatzes stehe, erleide Francotyp-Postalia “seit 2017 empfindliche Umsatzeinbußen”, und es gebe keine transparente Berichterstattung über die Profitabilität der Sparte. Günther wies diese Kritik dezidiert zurück.Unterstützung fand der CEO beim Stimmrechtsberater ISS, der vor allem angelsächsische Investoren vertritt. ISS empfahl, den Antrag auf Vertrauensentzug abzulehnen. Viele Fragen der Aktionäre zielten auf das Verhalten des Aufsichtsrats, der noch im Juni 2019 die Bestellung des seit 2016 amtierenden Günther unter Garnierung mit allerlei Belobigung bis Ende 2022 verlängert hatte, dann aber die Vertragsauflösung betrieb und Lind als künftigen CEO holte. An dessen Spitze stand seit 2013 Klaus Röhrig, Gründungspartner der mit 9,5 % an Francotyp beteiligten Active Ownership, ein aktivistischer Aktionär, der im Gerangel um den Pharmakonzern Stada gewisse Bekanntheit erlangte. Röhrig begründete die angestrebte Ablösung Günthers mit Verzögerungen bei Softwareumstellungen, was den Aufsichtsrat aber nicht davon abhielt, die Entlastung des Vorstands und damit auch des CEOs vorzuschlagen.Neu in den Aufsichtsrat wurden der frühere Deutsche-Wohnen-Vorstand Lars Wittan, der jetzt bei Obotritia als Chief Investment Officer arbeitet, und der Unternehmensberater Alexander Granderath, designierter neuer Chef des Gremiums, gewählt. Röhrig macht als einfaches Aufsichtsratsmitglied weiter.Noch am Tag vor der Hauptversammlung hatte Günther versucht, mit der Veröffentlichung “robuster Zahlen” für die ersten neun Monate Punkte zu sammeln. Die Resultate zeigten, wie robust Geschäftsmodell und Liquidität trotz der Corona-Pandemie seien. Günther macht geltend, dass Francotyp-Postalia im Postversandbusiness seit inzwischen 16 Quartalen hintereinander besser performe als die Wettbewerber.