Erich Sixt und die Kunst des Alterns
Von Michael Flämig, MünchenMan soll aufhören, wenn es am schönsten ist, weiß der Volksmund. Manager meinen es im Allgemeinen besser zu wissen als der Mann auf der Straße, und in diesem Fall haben sie die Logik auf ihrer Seite: Woher soll man wissen, wann es in der eigenen Karriere am schönsten ist? Schließlich kennt man naturgemäß nur die Gegenwart, aber nicht die Zukunft. Wann ist bei zunehmendem Alter der richtige Zeitpunkt für den eigenen Abschied? Greise im Alter von 30 JahrenErich Sixt scheint auf dieses Problem seine eigene Antwort gefunden zu haben – er ignoriert den Zeitenlauf. Klar, er ist im Juni dieses Jahres 70 geworden, das lässt sich schlecht wegdiskutieren. Zumindest rein formal. Aber: “Mit 50 Jahren bin ich stehengeblieben”, bekennt er jüngst bei Vorlage der Halbjahreszahlen des Autovermieters Sixt, dessen Vorstandsvorsitzender und Großaktionär er ist.Wie bitte? Nun, er habe seinen letzten Geburtstag mit 50 Jahren gefeiert, erklärt der Manager: “Das war ein Beschluss, weil ich gesagt habe, das lohnt sich gar nicht, älter zu werden.” Die Logik der Geschichte: Solche Zahlen interessierten ihn nicht, sagt Sixt: “Es kommt auch nicht auf das physische Alter an, sondern es gibt eben auch Greise, die erst 30 Jahre alt sind.”Und was bedeutet dies für seinen Chefposten bei dem bayerischen Autovermieter?Der Vertrag laufe noch zwei Jahre, bestätigt Sixt im Gespräch mit Journalisten. Dann wäre der gebürtige Österreicher 72 Jahre alt. “Vielleicht”, fügt Sixt mit einem Lachen hinzu, “kann man ja auch verlängern.” Schließlich sei er im Vergleich zu Warren Buffett noch “absolut jung”. Der US-Großinvestor, der am 30. August seinen 84. Geburtstag feierte (oder – wie Erich Sixt – vielleicht zum Trotz auch nicht), erfreue ihn ständig, erläutert der deutsche Multimillionär. Gerade sei dessen Aktie über 200 000 Dollar gehupft, und er denke nicht ans Aufhören: “Ob ich so lange mache, das weiß ich natürlich nicht.”Nun ja, Erich Sixt muss sich im Gegensatz zu anderen Managern keine Gedanken darüber machen, was der Aufsichtsrat von derlei öffentlich vorgetragenen Ambitionen hält, vielleicht noch 14 Jahre lang Vorstandsvorsitzender zu bleiben. Schließlich ist er nicht “nur” Großaktionär des Autovermieters, sondern auch Gründer und Gesicht. Was motiviert Erich Sixt? “Es macht richtig Spaß, hier zu arbeiten und das voranzutreiben”, sagt er selbst. Ansonsten mag auch der Kommentar gelten, mit dem Sixt einst rückblickend den Abbruch seines Studiums erklärte. Die ganze Betriebswirtschaftslehre basiere auf dem Axiom, dass der Mensch rational handele, sagte er: “Aber er tut es nicht.”Wie dem auch sei, es sei an dieser Stelle eingestanden: Tatsächlich kann die Medienlandschaft dankbar sein, einen derartigen Charakterkopf verfolgen zu dürfen, der mit seiner Art Erfolg hat. Während andernorts die Managersprache abgeschliffen und damit auch kleingehäckselt wird, haut Erich Sixt die Sprüche nur so raus – mit Substanz, wohlgemerkt.Beispiele gefällig? Im Leitfaden der teuren Medien-Trainingsstunden für Manager, die allerorten angeboten werden, steht obenan: Kommentare zu Konkurrenten sind ein No-Go. Was tut Sixt? Er merkt nicht nur an, er zieht richtig vom Leder. Zwar nennt er bei Vorlage der Halbjahreszahlen den Namen “Europcar” nicht, aber er lästert erneut ausführlich über den europäischen Branchenprimus – und damit ist klar, wer gemeint ist. Es liege perspektivisch nur noch ein Wettbewerber vor seinem Unternehmen, erläutert Sixt, “der wie ein Boxer angeschlagen in den Seilen hängt, eigentlich nur noch lebt, weil die Investoren ihn nicht untergehen lassen können”. Ein Käufer finde sich offenkundig nicht: “Ob der Börsengang, den die anpeilen, klappt, steht in den Sternen.”Apropos Aktienmarkt – für ein börsennotiertes Unternehmen hat normalerweise allerhöchste Priorität, die Investoren zu hätscheln und zu tätscheln. Was tut Erich Sixt? Er nimmt kein Blatt vor den Mund angesichts der Hausse im Deutschen Aktienindex. “Es wird zwar im Moment alles Mögliche an der Börse gekauft, aber es stellt sich natürlich die Frage, wie lange das noch gutgeht”, tut er frank und frei seine Meinung kund. Lachen über AnalystenEine Spitze in Richtung der Analysten hat er bei dieser Gelegenheit auch parat. Ein derartiger Kapitalmarktexperte habe ihm einmal gesagt, bei einem so hohen Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) wie bei Sixt könne er doch einfach seinen Laden zurückkaufen. Lachen bei Sixt, dann der Zusatz: Diese Ebita-Sichtweise mache keinen Sinn, schließlich bezögen sich die Abschreibungen auf die Fahrzeuge.Tja, das sitzt. Intern mag dies nicht immer nur ein Vergnügen sein. Knapp 20 Minuten sind jüngst bei der Telefonkonferenz zu den Halbjahreszahlen vergangen, als Erich Sixt eine neue Frage mit dem Satz entgegennimmt: “Ich möchte mal Herrn Dr. zu Putlitz zu Wort kommen lassen.” Als der Sixt-Finanzvorstand das Reden beginnt, fällt Erich Sixt ihm lachend ins Wort: “Sonst sieht es so aus, als würde nur noch der Herr Sixt …”