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Ericsson-Chef Vestberg muss gehen

Von Heidi Rohde, Frankfurt Börsen-Zeitung, 26.7.2016 Nach einer schwachen Geschäftsentwicklung und einem Kurssturz von rund einem Viertel binnen drei Monaten zieht Ericsson die Reißleine: Konzernchef Hans Vestberg (51), der seit sechseinhalb Jahren...

Ericsson-Chef Vestberg muss gehen

Von Heidi Rohde, FrankfurtNach einer schwachen Geschäftsentwicklung und einem Kurssturz von rund einem Viertel binnen drei Monaten zieht Ericsson die Reißleine: Konzernchef Hans Vestberg (51), der seit sechseinhalb Jahren an der Spitze des schwedischen Netzwerkausrüsters stand, nimmt seinen Hut. Er wird – interimistisch – durch Finanzvorstand Jan Frykhammar (51) ersetzt, der selbst bereits wissen ließ, nur für eine Übergangszeit zur Verfügung zu stehen, in der die Suche nach einem neuen Unternehmenslenker läuft. Diese soll “intern und extern” erfolgen, wie mitgeteilt wird. Die Investoren schöpften Hoffnung, die Ericsson-B-Aktien legten in Stockholm in der Spitze um über 4 % zu.Marktbeobachter prophezeien dem Nokia-Rivalen eine schwierige Chefsuche. Das Unternehmen, das seine Stellung als Branchenprimus unter den Telekomausrüstern über Jahrzehnte auf hohe Forschungs- und Entwicklungsstandards und eine breite Technologieführerschaft gegründet hatte, wird in jüngster Zeit immer stärker von der Konkurrenz aus Fernost bedrängt. Die chinesischen Telekomausrüster ZTE und vor allem Huawei haben ihre deutlichen Kostenvorteile für einen Feldzug nach Europa genutzt, während sie zugleich ihre starke Position im Heimatmarkt wahrten. Ihr Angriff hatte zuvor schon die europäischen Konkurrenten Nokia und Alcatel-Lucent unter Druck gesetzt, die ihr Heil im Zusammenschluss suchten und seither großvolumig Kosten und Stellen (15 000) sparen. Ericsson hatte zuletzt eine Verdopplung der Sparanstrengungen verkündet und strategisch auf eine Neuausrichtung der Geschäftsfelder gesetzt, bei der Cloud-Services und das Internet der Dinge sowie die Sparte Medien stärker in den Fokus rücken. Druck der GroßaktionäreInsbesondere die Großaktionäre Investor AB, Holding der schwedischen Industriellenfamilie Wallenberg, und Industrievaerden hatten jedoch auf eine Ablösung Vestbergs gedrungen, nachdem die bisher ergriffenen Restrukturierungsmaßnahmen noch keine Wirkung zeigen und der Ausblick auch nach einem äußerst schwachen zweiten Quartal düster blieb. So sah sich Chairman Leif Johannson gezwungen, zu verkünden, es sei im gegenwärtigen Umfeld an der Zeit, dass ein neuer Chef die Entwicklung bei Ericsson vorantreibe. Zugleich betonte er, Vestbergs “Führungsqualitäten und seine Energie” seien über Jahre eine “Inspiration” für Führungskräfte und Mitarbeiter gewesen. Der scheidende Konzernchef, der seine Karriere unmittelbar nach dem Studium an der Universität Uppsala bei Ericsson begann und seit 28 Jahren im Unternehmen ist, werde sechs Monate lang als Berater zur Verfügung stehen. Der 51-Jährige bekommt eine Kompensationszahlung von 28 Mill. skr (2,95 Mill. Euro).Vestbergs sofortiges Ausscheiden zwang den Board zu einer Notlösung: Frykhammar springt zwar als CEO ein, behält sich aber offenbar die Rückkehr auf seinen Posten als Finanzchef vor, der ebenfalls nur interimistisch mit Group Treasurer Carl Mellander besetzt wird. Frykhammar könnte selbst kaum für einen glaubwürdigen Neuanfang bei Ericsson stehen, denn der Manager, der 1991 zum Konzern stieß, ist damit nicht nur fast so lange im Unternehmen wie sein Vorgänger, sondern auch ein enger Weggefährte. Ebenso wie Vestberg verdiente er sich seine Sporen nicht nur bei verschiedenen Auslandsgesellschaften, sondern auch als zuständiger Vorstand für die Dienstleistungssparte Global Services, die er 2007 von Vestberg übernahm und die ihm 2010 als Sprungbrett ins Finanzressorts diente.Ericsson hat sich in der Vergangenheit durch personelle Kontinuität und interne Stellenbesetzungen ausgezeichnet und dürfte sich daher nach Einschätzung von Experten nicht leichttun, einen externen Kandidaten als Nachfolger für Vestberg zu finden. Der einzige Name, der bisher in diesem Zusammenhang fiel, war der von Anders Runevad, gegenwärtig Chef von Vestas, der zuvor bereits das Europageschäft von Ericsson geführt hat.Die Situation von Ericsson war schon in anderen großen Technologiekonzernen zu beobachten. Microsoft versuchte nach dem erzwungenen Abgang des langjährigen CEO Steve Ballmer händeringend einen Nachfolger von außen ins Unternehmen zu holen – Vestbergs Name wurde damals genannt, er lehnte ab. Die Suche scheiterte jedoch, und der heutige Microsoft-Lenker Satya Nadella setzte sich im internen Machtkampf durch. Auch der finnische Ericsson-Konkurrent Nokia setzte nach dem unrühmlichen Abgang von Stephen Elop 2013 auf eine Interimslösung. Chairman Risto Siilasmaa übernahm den Chefposten, bevor Rajev Suri 2014 bestellt wurde.