Altersvorsorge

Evonik-Managerin sorgt für frischen Wind bei Aktuaren

Erst krempelte sie die betriebliche Altersvorsorge bei Evonik um, dann wurde sie Vizechefin der einflussreichen Aktuarvereinigung. Was sich Susanna Adelhardt noch auf ihre Agenda geschrieben hat.

Evonik-Managerin sorgt für frischen Wind bei Aktuaren

Evonik-Managerin sorgt für frischen Wind bei Aktuaren

Von Antje Kullrich, Düsseldorf

Als Susanna Adelhardt Ende April als stellvertretende Vorstandsvorsitzende in die Führung der Deutschen Aktuarvereinigung berufen wurde, war das für den altehrwürdigen Verband der Versicherungsmathematiker gleich in mehrfacher Hinsicht eine Premiere. Die 51-Jährige ist nicht nur die erste Frau in dieser Position, sondern auch die erste Expertin für betriebliche Altersvorsorge in der DAV-Spitze. Traditionell prägen Mathematiker aus Versicherungsunternehmen, speziell der Lebensversicherung, den Verband, der als Ratgeber auch in der Politik einigen Einfluss hat.

Adelhardt jedoch war nie bei einem Versicherer beschäftigt. Seit 2017 ist sie Head of Benefits bei Evonik und beim Essener Spezialchemiekonzern für sämtliche Pensionspläne verantwortlich. Dazu gehört auch der Vorstandsvorsitz einer der größten deutschen Pensionskassen, der Pensionskasse Degussa. Die hat sie zum Jahreswechsel in den Run-off geschickt und das System der betrieblichen Altersvorsorge des MDax-Konzerns auf neue Füße gestellt. Adelhardt und ihr Team haben für neue Beschäftigte einen völlig neuen Pensionsplan entwickelt. „Er gilt für alle Ebenen vom Azubi bis zum Executive“, erläutert die Managerin.

Neuer Pensionsplan

Kern ist eine Direktzusage, die jedoch nicht über Pensionsrückstellungen in der Bilanz, sondern über ein CTA (Contractual Trust Arrangement) abgedeckt wird. Laut Adelhardt übernimmt der Plan viele Ideen des Sozialpartnermodells, des jüngsten Durchführungswegs in der betrieblichen Altersvorsorge, bei dem es keine starren Garantien mehr gibt. Adelhardt hat für Evonik ein System mit einer variablen Komponente entwickelt. Die späteren Betriebsrentner bei Evonik erhalten eine Rente mit einem eher niedrigen Rechnungszins sowie einen Kapitalmarktbonus, der sich nach dem aktuellen Wert des Kapitalstocks richtet und jährlich schwanken kann.

Erst mal gegoogelt

Zahlen haben Adelhardt schon immer begeistert. Nach dem Abitur in München mit Leistungskurs Mathe war ihr klar, dass sie etwas mit „M“ studieren wollte: Medizin, Musik oder Mathematik. Es wurde die Mathematik, allerdings in angewandter Form. Nach einer Banklehre bei der HVB begann Adelhardt ein Statistik-Studium, die Musik betreibt sie seitdem nur noch als Freizeitbeschäftigung. Sie spielt Klavier, Orgel, Geige und Schlagzeug.

Die HVB war nach dem Diplom auch Adelhardts erster Arbeitgeber. Als Entwicklerin für Office-Anwendungen startete sie in der IT-Abteilung, nach den Geburten ihrer zwei Töchter wechselte sie innerhalb der Bank jedoch in die betriebliche Altersversorgung. Dabei ist sie geblieben und machte die Fachausbildung zur Aktuarin. Die nächsten Station hießen Towers Watson und Airbus, ehe sie von Evonik abgeworben wurde.

Zu den Vorhaben, die sich Adelhardt in ihrem neuen Amt als Vizechefin der deutschen Aktuare in ihre Agenda geschrieben hat, gehört es, ihren Beruf bekannter zu machen. Ihr Vater musste erst mal googeln, als sie sich zur Aktuarin weiterbildete. Ihr Ansatz ist es, schon in der Schule das Berufsbild bekannt zu machen, vor allem bei mathematisch interessierten Jugendlichen wie zum Beispiel Teilnehmern der Matheolympiade. Nachwuchsprobleme hat die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) bisher jedoch noch nicht. Die Mitgliederzahl ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Von den 6.300 Mitgliedern sind geschätzt 13% in der betrieblichen Altersvorsorge beruflich hauptsächlich zu Hause. Adelhardt will weg vom Silodenken, will die Aktuare mit den Fachleuten anderer Gebiete stärker vernetzen. „Wir müssen über unseren Tellerrand hinausschauen und uns mit anderen Berufsgruppen stärker austauschen“, wirbt sie für ihren interdisziplinären Ansatz. Als Beispiel nennt sie die Zusammenarbeit mit Meteorologen oder Geophysikern beim Thema Klimawandel.

Netzwerkerin

Um diesen Austausch zu intensivieren, ist Adelhardt häufiger auf Podien zu Gast, hält Vorträge, schreibt Gastbeiträge. Beim Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) gehört sie dem Aufsichtsrat an. Eine explizit politische Agenda hat sie nicht. „Wir sind keine Lobbyvereinigung, wir sind Fachexperten“, betont Adelhardt, der man den Spaß, tief in die Materie einzutauchen, anmerkt. Gleichzeitig kann die Managerin aber ihre Themen gut kommunizieren – für die Arbeit der DAV äußerst hilfreich: „Wir können Diskussionen anstoßen und dadurch etwas bewegen.“ Themen wie der Pension Pay Gap, der auf die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen im Rentenalter folgt, sowie die Generationengerechtigkeit treiben sie aber um. Denn gerade in der betrieblichen Altersvorsorge treffen zum Teil üppigst ausgestattete Betriebsrentner und immer schmalere Zusagen an jüngere Beschäftigte aufeinander. Eine kontroverse Verteilungsfrage innerhalb der Unternehmen, wie die Renten-Expertin sagt.

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