Ex-Topbanker von Montag an vor Gericht
Prozess gegen Ex-Topbanker Christian Olearius startet
Von Antje Kullrich, Düsseldorf
Es ist ein heißer Spätsommer in Sachen Cum-ex-Aufarbeitung. Nachdem vor wenigen Tagen bereits in Frankfurt der Prozess gegen den ehemals renommierten Freshfields-Partner und Steuerexperten Ulf Johannemann begonnen hat, steht vom kommenden Montag an der bislang bekannteste frühere Topbanker wegen des größten deutschen Steuerskandals vor Gericht. Unter dem Aktenzeichen 63 KLs 1/22 wird vor dem Landgericht Bonn das Verfahren gegen den langjährigen Warburg-Lenker und Miteigentümer Christian Olearius eröffnet. Er muss sich wegen schwerer Steuerhinterziehung in 14 Fällen verantworten. Die Anklage beziffert den Schaden für den Fiskus auf knapp 280 Mill. Euro. Es geht um Cum-ex-Geschäfte der Warburg-Bank, deretwegen schon zuvor zwei britische Aktienhändler und mehrere Ex-Warburg-Manager der Führungsebenen unterhalb des Vorstands vor Gericht standen und verurteilt wurden. Warburg hatte Aktienkreisgeschäfte rund um den Dividendenstichtag mit verbotenen Absprachen sowohl im Eigenhandel als auch über Fonds betrieben, in die reiche Privatanleger investierten.
Olearius hat bislang alle Vorwürfe von sich gewiesen. Der mittlerweile 81-Jährige hatte die traditionsreiche Hamburger Privatbank M.M. Warburg über Jahrzehnte geprägt. Zwischen 1986 und 2014 war er Sprecher der Gesellschafter und bis Ende 2019 Aufsichtsratschef der Bank, bevor er mutmaßlich auf Druck der Finanzaufsicht zusammen mit Miteigentümer Max Warburg das Kontrollmandat niederlegte.
Für den Prozess in Bonn hat das Gericht bislang 28 Verhandlungstage bis in den März 2024 anberaumt. Olearius muss sich vor der 13. Strafkammer verantworten, unter dem Vorsitz von Marion Slota-Haaf. Der Ex-Banker setzt auf ein Verteidigerteam mit Peter Gauweiler (Kanzlei Gauweiler & Sauter), der Steuer- und Gesellschaftsrechtler Klaus Landry (Kanzlei GvW Graf von Westphalen) und Rudolf Hübner (Kanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan).
Schon lange vor dem eigentlichen Prozessbeginn hat das Verfahren für viel Zündstoff gesorgt: Olearius war im vergangenen Jahr vor dem OLG Köln mit einer Beschwerde gegen die Anklage gescheitert. Im Februar dieses Jahres hatte das LG Bonn selbst für eine Verzögerung gesorgt. In einem ungewöhnlichen und für das Gericht nicht gerade schmeichelhaften Vorgang hatte die 13. Strafkammer den eigenen Vorsitzenden für befangen erklären müssen, nachdem inoffizielle richterliche Mitschriften aus einem Cum-ex-Parallelverfahren in den Akten gefunden worden waren. Slota-Haaf (Jahrgang 1973) hatte daraufhin den Vorsitz übernommen.
Und nicht zuletzt hat der Prozess gegen Olearius eine brisante politische Dimension. Denn um die Kontakte zwischen dem Warburg-Banker und dem früheren Ersten Hamburger Bürgermeister und amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz ranken sich noch immer Fragezeichen. Ob und was Olearius – womöglich unter Eid – zu einer möglichen versuchten politischen Einflussnahme während der Treffen im Jahr 2016 sagen wird, ist eine der spannenden Fragen des bevorstehenden Cum-ex-Prozesses.