Geldpolitik

Panetta rückt an die Spitze der italienischen Zentralbank

EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta kehrt zu seinen Wurzeln zurück und wird zum 1. November Zentralbankchef in Italien. Innerhalb der EZB könnte die Personalie einen Zwist auslösen.

Panetta rückt an die Spitze der italienischen Zentralbank

Panetta rückt an Spitze der italienischen Zentralbank

ms/bl Frankfurt/Mailand

Worüber lange Zeit immer wieder spekuliert worden ist, ist nun Gewissheit: EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta wird zum 1. November Zentralbankchef seines Heimatlandes Italien. Für den 63-Jährigen Römer ist es die Rückkehr zu seinen Wurzeln, denn er hat fast sein ganzes Berufsleben in der italienischen Notenbank verbracht, wo er als ehemaliger Generaldirektor eng mit Mario Draghi, damals Gouverneur der Banca dItalia und später EZB-Chef, zusammengearbeitet hat.

Der neue Posten wird mit vielen großen Herausforderungen verbunden sein. Für Italien dürfte es nun auch darum gehen, den frei werdenden Posten im EZB-Direktorium erneut mit einem Landsmann zu besetzen. Und die EZB wird hoffen, dass in der aktuell angespannten Lage kein Vakuum entsteht.

Dass Panetta nach jetzt gerade einmal dreieinhalb Jahren im EZB-Direktorium nach Italien zurückkehren würde, war in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder spekuliert worden. Bei der Nachfolge für den amtierenden Zentralbankchef Ignazio Visco, dessen zweite und letzte Amtszeit Ende Oktober endet, galt Panetta stets als Top-Favorit. Den Posten des parteilosen Finanzministers in Italien, den ihm die neue Regierungschefin Giorgia Meloni angeboten hatte, schlug er aus. Dieser Posten ging dann an Giancarlo Giorgetti – und Panetta wird nun Zentralbankchef.

Panetta, der an der renommierten London School of Economics promoviert und seine Karriere 1985 bei der Banca d’Italia begonnen hatte, tritt damit durchaus in große Fußstapfen. Der heute 73-jährige Visco war zwar nicht immer über jeden Zweifel erhaben – in den zwölf Jahren seiner Amtszeit erarbeitete er sich aber auch international einen guten Ruf und viel Respekt. Nicht zuletzt Ex-Bundesbankpräsident Jens Weidmann äußerte sich immer wieder anerkennend über Viscos Expertise – obwohl der geldpolitische „Falke“ Weidmann, also ein Vertreter einer restriktiveren Geldpolitik, und die „Taube“ Visco, also ein Vertreter einer lockereren Geldpolitik, inhaltlich oft konträre Positionen vertraten.

Taube ersetzte Taube

Auch Panetta gilt als klare „Taube“ im EZB-Rat. In den vergangenen Wochen und Monaten hat er immer wieder vor einer Überreaktion der Geldpolitik auf die zu hohe Inflation gewarnt. Diese Position kann er künftig mit noch größerem Einfluss vertreten. Als Zentralbankchef der drittgrößten Euro-Volkswirtschaft wird sein Wort noch mehr Gewicht haben – und er kann womöglich noch freier agieren, da er nicht mehr Teil des sechsköpfigen EZB-Direktoriums ist.

In seinem Heimatland warten auf Panetta in jedem Fall große Aufgaben. Italiens Wirtschaft zeigt sich zwar auch aufgrund des Europäischen Wiederaufbauprogramms aktuell recht resilient, und die Banken scheinen stabiler denn je. Doch Visco legte in seiner letzten großen Rede auch den Finger in die Wunden des Landes: die hohen Schulden, die dramatische demografische Entwicklung, die Probleme des Südens, die instabilen Beschäftigungsverhältnisse gerade junger Leute, die schwache Produktivität und die im internationalen Vergleich sehr niedrigen Löhne (vgl. BZ vom 1. Juni). Die Regierung in Rom dürfte nun vor allem auch darauf erpicht sein, den Nachfolger Panettas im EZB-Direktorium aus den eigenen Reihe auszuwählen. Als mögliche Kandidaten gelten laut italienischen Medien Notenbankveteran Piero Cipollone (61), Alessandra Perrazzelli (61), Mitglied des Aufsichtsgremiums des Single Supervisory Boards der EZB, Paolo Angelini, Jahrgang 1958, Vizedirektor der Banca dItalia, sowie Elena Carletti (53), Professorin der Mailänder Universität Bocconi und Mitglied des Aufsichtsrats von Unicredit.

Bislang gibt es das ungeschriebene Gesetz, dass die vier großen Euro-Volkswirtschaften – Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien – stets einen Posten in dem Gremium besetzen. Immer wieder gibt es aber Diskussionen, ob das durchzuhalten ist. Diese entzündeten sich in der Vergangenheit nicht zuletzt bei den vorzeitigen Abgängen deutscher Notenbanker – Jürgen Stark, Jörg Asmussen, Sabine Lautenschläger. Auch Panetta geht jetzt vorzeitig. Vor allem die osteuropäischen Zentralbanken haben bislang noch nie ein EZB-Direktoriumsmitglied gestellt – was viele von ihnen gerne ändern würden.

Die EZB indes dürfte sich vor allem wünschen, dass die Nachfolge schnell und ohne großen politischen Zwist geregelt wird – auch wenn sie nun zusammenfällt mit der Debatte über die Nachfolge des Italieners Andrea Enria an der Spitze des EZB-Bankenaufsichtsgremiums SSM. Nicht nur, dass aus Sicht der Notenbank der Kampf gegen die hartnäckig hohe Inflation aktuell alle Aufmerksamkeit verlangt. Zugleich wird das Projekt digitaler Euro immer konkreter. Das vergleichen auch Notenbanker selbst mit der Einführung des Euro im Jahr 1999 – und zuletzt lag die Zuständigkeit im Direktorium für das Thema bei Panetta.

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