Präsidentschaftswahlen in Finnland

EZB-Ratsmitglied Olli Rehn will finnischer Präsident werden

Als Notenbanker und ehemaliger EU-Kommissar prägt Olli Rehn das wirtschafts- und geldpolitische Geschehen in der Eurozone seit Jahrzehnten entscheidend mit. Nun will sich der 61-Jährige neuen Herausforderungen widmen.

EZB-Ratsmitglied Olli Rehn will finnischer Präsident werden

EZB-Ratsmitglied Rehn zieht es in die Politik

ms/mpi Frankfurt

Wer den finnischen Notenbankchef und EZB-Ratsmitglied Olli Rehn persönlich kennt, für den kommt seine am Mittwoch verkündete Kandidatur für das Präsidentenamt in Finnland nicht überraschend. In Gesprächen mit dem 61-Jährigen fällt auf, dass der Finne nie aufgehört hat, nicht nur geldpolitisch, sondern auch stark politisch zu denken. Er ist dicht dran an den Themen, die vor allem die Politik in seinem Heimatland und in Europa beschäftigen, und pflegt sein politisches Netzwerk.

„Ich habe das Gefühl, dass ich die Erfahrung und Vision habe, die Außen- und Sicherheitspolitik Finnlands zu leiten“, sagte Rehn am Mittwoch in Helsinki. Diese wird derzeit vom russischen Angriffskrieg auf die Ukraine dominiert. Finnlands Grenze mit Russland ist rund 1.300 Kilometer lang. Unter dem Eindruck des russischen Einmarschs in ein Nachbarland hatte Finnland im April mit dem Beitritt zur Nato eine historische Wende vollzogen.

In Finnland wird am 28. Januar 2024 ein neuer Präsident gewählt. Amtsinhaber Sauli Niinistö darf nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten. Bislang haben der gerade aus dem Amt geschiedene grüne Außenminister Pekka Haavisto sowie ein Kandidat einer kleineren Partei, der Geschäftsmann Harry Harkimo, ihre Bewerbungen bekannt gegeben. Umfragen des Rundfunksenders Yle rechnen Haavisto die besten Chancen aus – vor Rehn auf Rang 2. Um als Kandidat aufgestellt zu werden, muss Rehn aber zunächst die Unterschriften von 20.000 Wahlberechtigten in einer sogenannten Wählervereinigung zusammenbekommen.

Nach den Parlamentswahlen Anfang April ist Finnland politisch nach rechts gerückt. Die damalige sozialdemokratische Ministerpräsidentin Sanna Marin konnte nach dem dritten Platz ihrer Partei keine absolute Mehrheit erreichen. An diesem Dienstag wählte das Parlament den konservativen Politiker Petteri Orpo von der „Nationalen Sammlungspartei“ (KOK) zu ihrem Nachfolger. Die KOK bildet zusammen mit drei weiteren Parteien die neue Regierungskoalition, der auch die rechtspopulistische Partei „Die Finnen“ (PS) angehört. Die EU-skeptische PS wurde im April knapp hinter der KOK zweitstärkste Kraft.

Für Rehn wäre der Posten des finnischen Präsidenten fraglos die Krönung einer beeindruckenden Karriere, in deren Verlauf er seit vielen Jahren auch das wirtschafts- und geldpolitische Geschehen in der Eurozone an entscheidenden Stellen mitprägt. So war er etwa als Kommissar für Wirtschaft und Währung von 2010 bis 2014 zentral an der Bekämpfung der Euro-Schuldenkrise beteiligt. Seit Juli 2018 führt Rehn die finnische Zentralbank und entscheidet somit im EZB-Rat mit über die Geldpolitik im Euroraum. Zeitweise galt er sogar als möglicher Kandidat für die Nachfolge von Ex-EZB-Präsident Mario Draghi, ehe die Staats- und Regierungschefs der EU Christine Lagarde nominierten. In der EZB wird seine Kompetenz ebenso geschätzt wie sein politisches Gespür und sein unprätentiöses Auftreten.

Bewegte Karriere

Bereits mit 30 Jahren war Rehn als wirtschaftspolitischer Berater des finnischen Ministerpräsidenten tätig. Anschließend war er erst Abgeordneter im finnischen Parlament und dann für ein Jahr Mitglied des Europaparlamentes. Von 1998 bis 2002 war er dann Kabinettschef des EU-Kommissars Erkki Liikanen. Von November 2004 bis Februar 2010 arbeitete er als EU-Erweiterungskommissar in der Kommission von José Manuel Barroso. Anschließend übernahm er bis Juni 2014 das Ressort Wirtschaft und Währung – in kritischer Zeit. Von Mitte 2014 an war er noch einmal ein knappes Jahr EU-Parlamentarier, ehe er Wirtschaftsminister seiner Heimatlandes wurde – einen Posten, den er bis Ende 2016 innehatte.

Wenn sich Rehn, der 1996 in Oxford in Internationaler politischer Ökonomie promoviert hat und der Englisch, Französisch und Schwedisch spricht sowie Deutsch versteht, nicht gerade mit Europa und Geldpolitik beschäftigt, gilt seine Leidenschaft neben Büchern, Rockmusik und Jazz dem Fußball. Zeitweise spielte er sogar in der höchsten finnischen Fußballliga und war 1996/1997 Präsident der finnischen Fußballliga.

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