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Familienunternehmer Haub verliert die Geduld

Von Annette Becker, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 15.10.2016 Zerschlagung. Das ist es, was Kaiser's Tengelmann nach den gescheiterten Gesprächen zur Rettung der Supermarktkette - oder sollte man besser sagen zum Vollzug der Ministererlaubnis? - droht....

Familienunternehmer Haub verliert die Geduld

Von Annette Becker, DüsseldorfZerschlagung. Das ist es, was Kaiser’s Tengelmann nach den gescheiterten Gesprächen zur Rettung der Supermarktkette – oder sollte man besser sagen zum Vollzug der Ministererlaubnis? – droht. Schuld daran und damit am mutmaßlichen Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen sind Norma, Markant und allen voran Rewe, die mit ihrer erfolgreichen Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf die Übernahme der angeschlagenen Lebensmittelläden durch Edeka blockieren. Das zumindest ist die Lesart von Karl-Erivan Haub, dem Familienoberhaupt der Tengelmann-Gruppe, zu der auch die Obi-Baumärkte und der Textildiscounter Kik gehören. Einwände ignoriertVor zwei Jahren hatte er mit Edeka-Chef Markus Mosa den Zusammenschluss vereinbart, wohl wissend, dass die Transaktion beim Bundeskartellamt zumindest nicht auf Gegenliebe stoßen würde. Mit den erforderlichen Zugeständnissen an die Wettbewerbshüter war es gleichwohl nicht weit her, wie Kartellamtschef Andreas Mundt bei der Untersagung der Übernahme erläuterte. Dessen ungeachtet hielten Haub und Mosa an dem Vorhaben fest. Selbst die Einwände der Monopolkommission, die sich im Zuge der beantragten Ministererlaubnis gegen den Zusammenschluss stellte, wurden geflissentlich ignoriert.Als Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Sondergenehmigung im März erteilte, schien der Plan schließlich aufzugehen. Haub wäre die ungeliebte Supermarktkette, die der Familie seit Jahren Verluste bescherte, endlich losgeworden. Doch hatte der einstige McKinsey-Berater die Rechnung ohne die Konkurrenz gemacht, die sich zu wehren wusste. Nun steht der 56-Jährige vor einem Scherbenhaufen, ein Jahr vor dem 150-jährigen Firmenjubiläum von Tengelmann.Drohgebärden seitens Haub gab es in dem seit zwei Jahren laufenden Übernahmeprozess zuhauf. Obgleich der gelernte Einzelhandelskaufmann die Zerschlagung lange Zeit als Ultima Ratio klassifizierte, scheute er nicht davor zurück, diese als Schreckensszenario an die Wand zu malen – sei es beim Werben um die Ministererlaubnis oder in diesem Sommer mit Blick auf den Tarifkonflikt zwischen den Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann und Edeka. Ende September holte sich Haub von seinen Aufsichtsgremien einen Vorratsbeschluss, um in die Einzelverwertung einzusteigen, sollten die von Verdi initiierten Gespräche zur Umsetzung der Ministererlaubnis im Sande verlaufen.Vorige Woche wurde die Galgenfrist nochmals um zehn Tage verlängert. Da die Rettungsgespräche am Donnerstagabend scheiterten, will Haub nun in der kommenden Woche mit der Zerschlagung beginnen. “Wir müssen leider feststellen, dass die Kläger nicht bereit sind, konstruktiv an Lösungen zu arbeiten und ihre Beschwerden zurückzuziehen. Für unsere 16 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist dies eine sehr enttäuschende Nachricht”, bedauert der Firmenchef, der seit 2000 an der Spitze des Familienkonzerns steht. Rückzug auf RatenDas Interesse an den Lebensmittelaktivitäten der Gruppe hat Haub jedoch schon lange verloren, zu groß waren wohl auch die Verlockungen, die die Start-up-Szene bietet. Seit 2009 engagiert sich Tengelmann mit Venture Capital an allen möglichen Internetfirmen in Deutschland und den USA. Insgesamt zählt das VC-Portfolio knapp 70 Beteiligungen, darunter auch kleinere Pakete an Zalando und Uber. Daneben besitzt der Familienkonzern ein Immobilienportfolio mit knapp 500 Einzelobjekten im In- und Ausland.Im operativen Geschäft mit Lebensmitteln stehen die Zeichen dagegen schon lange auf Rückzug. Schon zur Jahrtausendwende trennte sich Tengelmann von 550 Kaiser’s-Filialen, die Verluste schrieben. Zugleich wurde auch an der Discountschiene Plus die Schere angesetzt. Dort wurde zunächst das Auslandsgeschäft verhökert, bevor 2008 der Zusammenschluss der deutschen Plus-Filialen mit der Edeka-Tochter Netto folgte. Der schon zu diesem Zeitpunkt geplanten Einkaufskooperation mit den Hamburger Genossen schob das Kartellamt jedoch einen Riegel vor. Ein Punkt, den Haub auch heute noch als mitursächlich für den Niedergang von Kaiser’s Tengelmann herausstellt.Eigene Fehler aber gesteht Haub nur in überschaubarem Rahmen ein. Viel zu lange, sagte er im vorigen Jahr, habe die Familie “aus rein emotionalen Gründen” an Kaiser’s Tengelmann festgehalten. Nach den Angaben haben die Supermärkte in den vergangenen 15 Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro an Verlusten aufgetürmt. Und daraus folgt: Auch bei Familienunternehmen ist es mit Geduld und Geld an irgendeinem Punkt zu Ende.