Nikolas Stihl

Familienunternehmer zwischen zwei Welten

Nikolas Stihl positioniert sich in Deutschland gern als Mann der klaren Worte. In den USA steht der Beiratschef des Motorsägen-Weltmarktführers Stihl aber vor einem politischen Dilemma.

Familienunternehmer zwischen zwei Welten

Nikolas Stihl – Unternehmer zwischen zwei Welten

xaw New York
Von Alex Wehnert, New York

Nikolas Stihl ist ein Mann zwischen zwei Welten. In Europa poltert der Aufsichts- und Beiratschef des Motorsägen-Weltmarktführers Stihl gegen das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte und kanzelt die AfD als „wirtschaftlich schädlich, völkisch und realitätsfremd" ab. In den Vereinigten Staaten tut er sich mit ähnlich klaren Worten gegen Donald Trump deutlich schwerer. Beide große US-Parteien gingen „in Richtung Protektionismus – das kann uns nicht gefallen“, sagte der Unternehmer Anfang Juni in New York.

Stihl ist in die Vereinigten Staaten gereist, um den „Global Leadership Award“ des Thinktank American-German Institute (AGI) entgegenzunehmen. Der Beiratschef verkörpere „die Qualitäten des deutschen Wirtschaftsengagements“, die sein Unternehmen auch in den Vereinigten Staaten so erfolgreich gemacht hätten. Stihl verbinde Tradition und Innovation, heißt es vom AGI. Die Waiblinger produzieren bereits seit 1974 am Standort Virginia Beach und generierten 2023 rund 38% des Umsatzes der familienkontrollierten Holding von insgesamt 5,26 Mrd. Dollar über Stihl Inc., ihre US-Tochter.

Absatzmotor Heartland

Der vom AGI gelobte Erfolg gründet sich dabei insbesondere auf den Absatz in den Wäldern des amerikanischen Heartlands und anderer ländlich dominierter Gegenden. Und dort wählen die Käufer nun einmal mehrheitlich republikanisch. Er wolle sich als Deutscher nicht zu sehr in die Politik eines anderen Landes einmischen, begründet Stihl seine Zurückhaltung. Sein seit 2022 amtierender CEO Michael Traub findet zu einer deutlicheren Position: „Trump kann man sich aus deutscher Sicht nicht wünschen“, sagt der ehemalige Bosch-Manager, um hinterherzuschieben, dass sicherlich 70% der US-Kundschaft Republikaner seien.

Stihl-CEO Michael Traub findet klarere Worte zu Donald Trump als sein Beiratsvorsitzender. Foto: picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod.

Neben den Stihl-Sägen ist der „Zero Turn Mower“ – ein Aufsitzrasenmäher, der sich auf seiner eigenen Achse drehen kann – bei diesen Käufern besonders beliebt, in Deutschland wird er dagegen kaum verkauft. Bei Baumarktketten finden sich die Produkte der Waiblinger nicht, die ausschließlich über den Fachhandel vertreiben. Dies soll die Servicequalität sichern und die Kundenbindung stärken.

Unkonventionelle Ansätze

Willkommen bei den Stihls, wo sie trotz der bis ins Jahr 1926 zurückreichenden Firmenhistorie unkonventionell denken. So auch bei der Entwicklung des hauseigenen Extremsports. Bei den „Stihl Timbersports“ treten seit 2001 Holzfäller – und inzwischen auch Holzfällerinnen – in verschiedenen Disziplinen gegeneinander an. Die Events werden in 62 Ländern im Fernsehen übertragen, jährlich schauen über 20 Millionen Menschen zu.

Holzfäller beim Weltcup von „Stihl Timbersports“. Foto: picture alliance / Pressebildagentur ULMER | Mihai Stetcu

In den Sägewettbewerben treten die Holzfäller mitunter mit individuell modifizierten Motorgeräten an. Beim Endkunden muss sich Stihl ebenfalls auf divergierende Bedürfnisse einstellen. Nikolas Stihl und CEO Traub steuern das Familienunternehmen durch eine Nachhaltigkeitstransformation, bis 2035 soll der Absatzanteil von Akku-Geräten auf 80% steigen. Dafür investiert die US-Tochter bis 2025 über 60 Mill. Dollar in die Produktion batteriebetriebener Laubbläser, Astscheren, Trimmer oder Multifunktionswerkzeuge.

Attraktive US-Produktionsbedingungen

Nikolas Stihl liegt die Fertigung in Virginia Beach seit seiner eigenen Zeit als Produktmanager im Kettensägengeschäft von Stihl Inc. am Herzen. Für den Beiratschef, dessen Familie das operative Geschäft 2002 erstmals in die Hände eines externen Managements legte, ist der Standort aber vor allem aufgrund der Produktionsbedingungen attraktiv.

Die Arbeitsstunde in der Fertigung sei dort inzwischen 30% günstiger als in Deutschland, wo eine zu hohe Abgabenbelastung und ein Bürokratiedickicht sowie der Rückgang der geleisteten Arbeitszeit die Produktion inzwischen unerschwinglich machten. Die US-Vorteile liegen auch daran, dass sich Stihl in Virginia Beach nicht mit unangenehmen Gewerkschaften herumschlagen muss.

Absage an neue Fertigung in Deutschland

Den Bau eines neuen Werks in Ludwigsburg bei Stuttgart hat Stihl im Frühjahr auf Eis gelegt. „Investitionen in eine neue Fertigung in Deutschland wird es von uns in den kommenden fünf Jahren ganz sicher nicht geben“, betont der Beiratschef in Manhattan. Die Zukunft liegt vorerst an neuen Standorten in Rumänien oder Kenia, aber vor allem eben in den USA.

Nikolas Stihl und die anderen Familienvertreter im Beirat wollen dabei die volle Kontrolle über das mit einer Eigenkapitalquote von 66% ausgestattete Unternehmen behalten. „Gierigen Finanzinvestoren“, so formuliert es CEO Traub, wolle sich Stihl nicht aussetzen – dazu finden die Lenker des Motorsägenherstellers auch in der Private-Equity- und Hedgefonds-Hochburg USA klare Worte.