PERSONEN

Finanzchef Anthony Noto kann Twitter nur eingeschränkt

Von Stefan Paravicini, Frankfurt Börsen-Zeitung, 29.11.2014 "Nein, nur eingeschränkt", schrieb Anthony Noto (46), Finanzvorstand des US-Kurznachrichtendienstes Twitter, am Donnerstag nach Angaben des Technologieblogs Recode gut lesbar für alle...

Finanzchef Anthony Noto kann Twitter nur eingeschränkt

Von Stefan Paravicini, Frankfurt”Nein, nur eingeschränkt”, schrieb Anthony Noto (46), Finanzvorstand des US-Kurznachrichtendienstes Twitter, am Donnerstag nach Angaben des Technologieblogs Recode gut lesbar für alle Nutzer des Online-Dienstes, die seinen Nachrichten folgen. Auf welche Frage der Manager antwortete, ist nicht bekannt, weil es sich bis dahin wohl um eine private Konversation gehandelt hatte. “Können Sie twittern?” würde den offenbar aus Versehen in die Öffentlichkeit gelangten Tweet aber zu einem sinnvollen Frage-Antwort-Paar ergänzen. Denn für den Twitter-CFO war es bereits die zweite Twitter-Panne innerhalb einer Woche. “Wir sollten sie kaufen””Ich finde immer noch, wir sollten sie kaufen”, tippte Noto, der im Sommer von Goldman Sachs zu dem Internetkonzern kam, erst vor wenigen Tagen und unfreiwillig öffentlichkeitswirksam in sein Telefon. Seither wird nicht nur im Silicon Valley gerätselt, welches Unternehmen der Ex-Investmentbanker als Übernahmeziel ins Visier genommen hat. Shots, eine Foto-App mit dem besonderen Blick für Selbstporträts, bei der unter anderem der Gerade-nicht-mehr-Teenie-Star Justin Bieber (20) investiert ist, wird am häufigsten als Kandidat genannt. Noto wird sich derweil wünschen, Twitter würde ein bisschen so wie die Foto-App Instagram funktionieren, mit der Nutzer Fotos verschicken, die kurze Zeit darauf automatisch gelöscht werden. Die maximal 140 Zeichen einer Twitter-Nachricht sind dagegen in Stein gemeißelt, bis der Absender zum Korrekturstift greift. Doch dann ist es meistens schon zu spät, wie jetzt auch Noto erfahren musste.Der Ex-Investmentbanker ist allerdings nicht der erste Twitter-Nutzer, der eine private “Direct Message” aus Versehen als mehr oder weniger öffentliche Nachricht verschickt. Dass ein solcher Irrtum unangenehme Folgen haben kann, weiß auch Anthony Weiner (50), ehemals Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses. Die damals vielversprechende Nachwuchskraft der demokratischen Partei twitterte 2011 freizügige Bilder an die gut 56 000 Mitglieder seines Twitter-Netzwerks, die eigentlich nur für eine private (außereheliche) Bekanntschaft gedacht waren. Die politische Karriere des Mannes, der sich gerade auf die Nachfolge des damaligen New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg vorbereitete, war beendet.Auch die Social-Media-Beauftragten in Unternehmen zwitschern schon einmal daneben. Ganz weit vorn in den Hitlisten der größten Twitter-Pannen steht der Kundenservice der mittlerweile fusionierten US Airways, der statt der Antwort auf eine Beschwerde ein pornografisches Bild via Twitter verschickte – an mehr als 400 000 Kunden der Fluglinie. Die sozialen Netzwerke im Internet sind im übrigen auch dann für einen PR-GAU gut, wenn die Absender bewusst in aller Öffentlichkeit agieren, dabei aber die Dynamik dieser Instrumente unterschätzen. Als die New Yorker Polizei (NYPD) die Öffentlichkeit einlud, via Twitter Bilder zu senden, die die Interaktion der Bevölkerung mit dem NYPD zeigen, hagelte es Tausende von Fotos, die das teils überharte Eingreifen der Einsatzkräfte im Alltag zeigten.Ähnlich erging es unter anderem auch schon der Fast-Food-Kette McDonald’s, dem Kaffeebar-Imperium Starbucks oder der australischen Airline Qantas. Sie alle traten Lawinen auf Twitter los, die ihre Absichten in den sozialen Medien wenig später unter sich begraben hatten. Auch die Investmentbank J.P. Morgan hat hier ganz eigene Erfahrungen gemacht. Als die Investmentbank einen Twitter-Account einrichtete, um potenziellen Bewerbern die Möglichkeit für Fragen an das Management zu geben, änderten die Fragen rasch die Richtung. “Kann ich mein Haus zurückbekommen?”, “Gibt es eine bestimmte Zahl an Leben, die Sie ruinieren wollen?” oder “Wie ist es so, mit mexikanischen Drogenkartellen zusammenzuarbeiten?”, wollten die Bewerber plötzlich wissen. J.P. Morgan beeilte sich, den Account abzuschalten. Architekt des BörsengangsAnthony Noto hat mit seinen Irrläufern auf Twitter ebenfalls für Häme im Internet gesorgt. Wie soll ein Dienst, der von den eigenen Top-Managern kaum fehlerfrei zu bedienen ist, die in Aussicht gestellten Nutzerzahlen erreichen, die den Börsengang vor einem Jahr zu einem fulminanten Erfolg gemacht hatten, fragen die Kommentatoren. Anfang November 2013 hatte Twitter, die derzeit fast 300 Millionen aktive Nutzer zählt, bei 45,10 Dollar erstmals an der Kurstafel aufgeleuchtet und den IPO-Preis um 75 % übertroffen. Als Architekt des Erfolgs galt der Chef des Technologieteams bei Goldman Sachs, das den Börsengang begleitete: Anthony Noto. Am Freitagmittag notierte Twitter trotz der Pannen ihres Finanzvorstands 2 % im Plus. Der Kurs lag bei knapp 42 Dollar, der Konzern ist gut 26 Mrd. Dollar wert.