Finma-Chef geht nach Credit-Suisse-Kollaps
Finma-Chef geht nach Credit-Suisse-Kollaps
Von Daniel Zulauf, Zürich
Urban Angehrn, Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), hat am Mittwoch überraschend seinen Rücktritt per Monatsende erklärt. „Die hohe und dauerhafte Belastung hatte gesundheitliche Folgen“, erklärte der 58-Jährige in einer Medienmitteilung seine Entscheidung. „Es fällt mir sehr schwer, diese Aufgabe abzugeben, doch dies ist ein Schritt der Vernunft.“ Angehrn hatte die Position als oberster Schweizer Finanzmarktaufseher erst im November 2021 vom derzeitigen BaFin-Präsidenten Mark Branson übernommen.
Spätestens mit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 war die Einarbeitungszeit des früheren Investmentchefs der Zurich Versicherung zu Ende. Hochschießende Energiepreise und eine galoppierende Inflation erforderten eine rasante Erhöhung der Leitzinsen.
In dem Klima einer sich weltweit verschlechternden Finanzstabilität sah sich die Finma mit den spezifischen Problemen der Credit Suisse (CS) konfrontiert. Die Ernennung von Ulrich Körner zum neuen CS-CEO erfolgte Anfang August 2022 inmitten des sich verdüsternden Umfeldes. Das neue Management bemühte sich zwar rasch um eine Neuausrichtung und die Beschaffung des dafür nötigen Kapitals. Doch der anhaltende Kursverfall, der sich ab September 2022 dramatisch beschleunigte, deutete an, dass der Finanzmarkt nicht mehr an ein Gelingen eines CS-Turnarounds glaubte. Angehrn und seine Behörde sehen sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, dem Niedergang zu lange tatenlos zugeschaut zu haben. Der Finma-Direktor wehrte sich nach Kräften gegen diese Kritik und betonte unter anderem in einem Artikel der „NZZ“, die Finma habe sich nicht an die Stelle des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung setzen können, um der Bank eine neue Strategie aufzudrücken. Auch habe es die Verantwortung der Aktionäre gegeben.
Es sind valide Argumente, über die im aktuell aufgeheizten politischen Diskurs in der Schweiz aber andere die Deutungshoheit an sich gerissen haben. Gerichte werden dereinst darüber befinden, ob die CS-Aktionäre mit Hilfe der Finma von der UBS übervorteilt wurden oder ob es rechtens war, die Abschreibung der AT1-Anleihen anzuordnen. Auch eine parlamentarische Untersuchungskommission wird die Rolle der Finma kritisch beleuchten.
Nachvollziehbare Entscheidung
Vor diesem Hintergrund erscheint die Vernunftentscheidung des promovierten Physikers und Mathematikers, die Finma einer neuen Führung zu überlassen, durchaus nachvollziehbar. Die kollektive Schweizer Regierungsbehörde (Bundesrat), in deren Kompetenz es steht, die Wahl des Finma-Direktors bzw. der Finma-Direktorin und die Wahl des Verwaltungsrates dieser Behörde gutzuheißen, wird sich nun reiflich überlegen müssen, was sie von der Finma erwartet und was das für deren Organisation, deren personelle Führung und deren instrumentelle Ausstattung bedeutet. Etwas scheint indessen schon jetzt klar zu sein: Angehrn und dessen Präsidentin Marlene Amstad waren 2022 im herbstlichen Gewittersturm auf sich alleine gestellt überfordert.