Frank Appel geht in die Verlängerung
Von Walther Becker, FrankfurtDie Zeiten sind vorbei, als es hieß, die Temperatur sinke um 5 Grad, wenn Dr. Frank Appel den Raum betrete. Der gebürtige Hamburger wirkt aufgetauter, konzilianter, im Gespräch auch gerne mal ironisch, fast jovial und jedenfalls unprätentiös. Und er ist inzwischen auch in der Lage, ohne Sprech eines McKinsey-Beraters auszukommen. Nun wird der promovierte Neurobiologe die Deutsche Post DHL weitere fünf Jahre führen. Der Vertragsverlängerung für den 55-Jährigen hat der Aufsichtsrat zugestimmt. Appel ist nach dem nächstes Jahr scheidenden Munich-Re-Chef Nikolaus von Bomhard (60), der seit 2004 amtiert, und dem 58-jährigen Bernd Scheifele, der Heidelberg Cement seit 2005 führt, der dienstälteste Dax-CEO.Alles andere als eine Verlängerung wäre auch eine faustdicke Überraschung gewesen. Appel hat ein gutes Standing bei Investoren. Die Aktie hat binnen eines Jahres knapp 20 % zugelegt und auf Sicht der vergangenen fünf Jahre gar gut 180 %. Mit rund 30 Euro liegt der Kurs nahe dem 2015 markierten Allzeithoch. Nicht mehr ganz so gut dürfte das Standing auf der Arbeitnehmerseite sein. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi schaffte es im vorigen Jahr, den beherrschten Hanseaten in Rage zu bringen. Im Streit über Arbeitszeiten, Entlohnung und vor allem die Ausgliederung von Post-Beschäftigten aus dem Haustarifvertrag hatte sich Appel mit aller Härte durchgesetzt.Weiter so, heißt es bei dem führenden Logistikkonzern also, zumindest bis 2022. Appel gehört dem Vorstand des derzeit an der Börse mit knapp 37 Mrd. Euro bewerteten Bonner Konzerns seit 2002 an und ist seit 2008 als Nachfolger von Klaus Zumwinkel Vorsitzender. 2009 führte er die Strategie 2015 ein, die das Umsatz- und Ertragspotenzial aktivierte. Mit der Strategie 2020 haben Appel und sein Team die Weichen gestellt, um den Megatrend E-Commerce in allen vier Divisionen der Gruppe – Brief/Paket, Express, Spedition und Logistik – zu nutzen und damit ihre Marktführerschaft auszubauen. M & A kleingeschriebenUnd zwar ohne große Zukäufe. Schlechtes Umfeld für Investmentbanker am Rhein: Denn Appel, der das US-Abenteuer mit Verlusten in der Gegend von 7 Mrd. Dollar hatte bewältigen müssen, sieht genügend Möglichkeiten, aus eigener Kraft zu wachsen – und zwar trotz fehlenden Rückenwinds von der Konjunktur.Müsste er seinen eigenen Konzern benoten, erhielte die Post von Appel derzeit eine 1. Im Betriebsergebnis sei die Entwicklung “sehr gut”, sagte er jüngst, als er für den Sommer erneut ein Rekordquartal vermeldet hatte. Operativ soll der Konzern 3,4 Mrd. bis 3,7 Mrd. Euro verdienen, nach 2,4 Mrd. Euro im Vorjahr. Bis 2020 soll das Ergebnis vor Steuern und Zinsen im Schnitt um mehr als 8 % im Jahr steigen.Die Bewältigung der Probleme in der Frachtsparte hatte er selbst in die Hand genommen, und mit einer hausgemachten Lösung wird nun versucht, die Schwierigkeiten in der IT, die SAP und IBM offenbar nicht bewältigen konnten, selbst hinzubekommen. Die Kontraktlogistik, die Kunden Kommissionierung und Lagerhaltung bietet, gilt inzwischen als saniert. Und von neuen Produkten wie der eigenen Produktion der Elektrolieferwagen Streetscooter und anderen Angeboten, die vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbar waren für die einstige Bundespost, will der Konzern künftig profitieren. Das lange Jahre schrumpfende Briefgeschäft wurde mit Einbeziehung der heimischen Paketsparte ausgebaut, nennt sich nun auf gut Neudeutsch PEP, was für Post – E-Commerce – Parcel steht, und profitiert von den wachenden Online-Orders. Auch die im Sommer neu verhandelten Rahmenverträge mit dem Großkunden Amazon seien gut, hatte Appel gesagt. Das US-Konglomerat kann sich zu einer ernsten Bedrohung für das Geschäftsmodell der Bonner auswachsen, wenn der E-Commerce-Riese – wie in Ansätzen schon erkennbar – auch in Deutschland die Logistik in die eigene Hand nimmt. Warten auf ScharwathDrei Männer und eine Frau hat Appel in der Führungsriege an seiner Seite: Die neue Finanzchefin Melanie Kreis (Jahrgang 1971) ist auch weiterhin Arbeitsdirektorin und bis 2022 bestellt. Sie ist einzige weibliche CFO im Dax. Jochen Gerdes verantwortet PEP, sein Vertrag läuft bis 2020, ebenso wie der Kontrakt von Expresschef Ken Allen (Jahrgang 1955), der seit 2009 im Vorstand ist. Seit März leitet der 1963 geborene John Gilbert die Supply Chain, er ist bis 2022 bestellt. Im Bonner Post-Tower warten sie schon seit Mai, dass Tim Scharwath antritt. Das wird bis Anfang Juni der Fall sein, heißt es. Der IT-Experte wird für die DHL-Frachtsparte zuständig. Bis er da ist, bleibt Appel in Personalunion für die Spedition verantwortlich. Der wie der CEO in der Hansestadt geborene Manager hatte es bei seinem Arbeitgeber Kühne+Nagel Luftfrachtkunden erstmals ermöglicht, Aufträge online zu übermitteln.