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Frühere Chefs von France Télécom vor Gericht

Von Gesche Wüpper, Paris Börsen-Zeitung, 7.5.2019 Es ist eine Premiere, auf die Orange-Chef Stéphane Richard gerne verzichtet hätte. Denn in Paris stehen nun gleich mehrere Top-Manager des früher unter dem Namen France Télécom bekannten...

Frühere Chefs von France Télécom vor Gericht

Von Gesche Wüpper, ParisEs ist eine Premiere, auf die Orange-Chef Stéphane Richard gerne verzichtet hätte. Denn in Paris stehen nun gleich mehrere Top-Manager des früher unter dem Namen France Télécom bekannten Telekommunikationskonzerns vor einem Strafgericht, darunter der frühere Konzernchef Didier Lombard. Sie, aber auch das Unternehmen selbst müssen sich dort wegen des Vorwurfs verantworten, Mitarbeiter gezielt gemobbt und damit letztendlich in den Selbstmord getrieben zu haben. Die Selbstmordwelle, die France Télécom vor rund zehn Jahren erschütterte, hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Es ist das erste Mal in Frankreich, dass sich ein CAC-40-Konzern wegen Mobbingvorwürfen vor Gericht verantworten muss.2008 und 2009 haben sich insgesamt 35 Mitarbeiter des Telekomkonzerns umgebracht, einige sogar an ihrem Arbeitsplatz. In ihren Abschiedsbriefen verwiesen sie oft auf den großen Druck in dem Unternehmen, an dem der französische Staat noch immer mit 13,4 % beteiligt ist. France Télécom habe seinerzeit ein auf starkem Leistungs- und Flexibilitätsdruck basierendes System eingeführt, um Stellen in großem Umfang abbauen zu können, wird den sieben Managern und dem Unternehmen von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen. Unter Lombards Führung hatte der 1997 teilprivatisierte Konzern zwischen 2006 und 2009 insgesamt 22 000 Stellen abgebaut.Zwar wurde niemand entlassen, doch Mitarbeiter wurden manchmal von einem Tag auf den anderen versetzt oder unter Druck gesetzt, ganz andere, ihren Qualifikationen nicht entsprechende Aufgaben zu versehen. Ein Untersuchungsbericht des Gewerbeaufsichtsamtes zu den Selbstmorden warf dem Management eine “ernsthafte Gefährdung der Mitarbeiter” und “Mobbingmethoden” vor. Der inzwischen 77 Jahre alte Lombard musste 2010 auf Druck des französischen Staats die operative Geschäftsführung an Stéphane Richard abgeben. 2011 trat er auch den Vorsitz des Verwaltungsrates an ihn ab.Neben Lombard, der die École Polytechnique und École Nationale Supérieure des Télécommunications absolvierte, müssen sich auch die frühere Nummer 2 des Telekomriesen, Louis-Pierre Wenes, und der ehemalige Personalchef Olivier Barberot wegen Mobbing vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft beruft sich dabei auf 39 konkrete Fälle: 19 der betroffenen Mitarbeiter haben sich das Leben genommen, zwölf haben Selbstmordversuche unternommen und acht weitere haben eine Depression erlitten.Mobbing ist in Frankreich ein Straftatbestand, für den den drei Managern eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und eine Geldbuße von bis zu 15 000 Euro droht. Das Unternehmen selber könnte mit einer Geldstrafe von bis zu 75 000 Euro belegt werden. Den vier anderen Mitangeklagten wird Mittäterschaft zur Last gelegt. Zu den rund zehn Nebenklägern des Prozesses, der bis zum 12. Juli angesetzt ist, gehören neben den Angehörigen der Selbstmordopfer auch Gewerkschaftsvertreter.