Früherer Audi-Chef Stadler angeklagt
Von Stefan Kroneck, MünchenGut vier Jahre nach den aufgeflogenen Dieselabgasmanipulationen könnte der frühere Audi-Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler in Deutschland vor Gericht kommen. Die Staatsanwaltschaft erhob gegen den 56-Jährigen und drei weitere, namentlich nicht genannte Angeschuldigte Anklage. Die Strafverfolger werfen ihnen “Betrug, mittelbare Falschbeurkundung sowie strafbare Werbung” vor. Der Hauptvorwurf gegen Stadler: Er soll “spätestens ab Ende September 2015 von den Manipulationen Kenntnis gehabt und gleichwohl weiter den Absatz von betroffenen Fahrzeugen der Marken Audi und VW veranlasst bzw. den Absatz nicht verhindert (…) haben”, teilte die Behörde mit.Zur Erinnerung: Im Spätsommer 2015 wurde der umfangreiche Abgasbetrug bekannt. VW-Chef Martin Winterkorn trat seinerzeit wenige Tage danach zurück, während Stadler sich noch lange auf seinem Posten mit Hilfe der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch halten konnte. Erst Anfang Oktober 2018 musste er gehen. Vier Wochen darauf wurde Stadler nach viereinhalb Monaten aus der Untersuchungshaft gegen strenge Auflagen entlassen. Er saß im Gefängnis wegen Verdunklungsgefahr. Audi zahlte im vergangenen Jahr wegen des Betrugs ein Bußgeld von 800 Mill. Euro.Sollte das Landgericht München die Anklage für einen Strafprozess zulassen, dürfte das Gerichtsverfahren kontrovers ablaufen. Denn Stadler weist nach wie vor alle Vorwürfe zurück. Eine Mitwisserschaft und eine Beteiligung nach den Manipulationen bestritt er vehement. Der Oberbayer sieht sich als Opfer denn als Täter. Er gab einigen Ingenieuren die Schuld, die ihn über die Machenschaften nicht rechtzeitig aufgeklärt hätten. Stadler will kämpfen. “Er wird sich gegen die Anklagevorwürfe verteidigen”, kündigte sein Anwalt Thilo Pfordte an. In einem Prozess muss vor der Wirtschaftsstrafkammer des zuständigen Landgerichts geklärt werden, wer, wann, was und in welchen Umfang von den Manipulationen gewusst hatte. Parallelverfahren in SichtStadler wird beschuldigt, bis 2018 wissentlich manipulierte Dieselfahrzeuge weiterhin verkauft zu haben. Die Anklage gegen ihn und die drei Mitangeklagten umfasst insgesamt 250 712 Fahrzeuge der Marke Audi, 71 577 Autos der Marke VW und 112 131 Einheiten der Marke Porsche. Diese Fahrzeuge veräußerte der Mehrmarkenkonzern vor allem in den USA und in Westeuropa. Audi spielte in dem Skandal eine zentrale Rolle, hatte doch der Ingolstädter Autobauer die anderen beiden Marken mit selbst entwickelten Dieselmotoren für leistungsstarke Fahrzeuge beliefert.Die Prüfung der Anklage gegen Stadler könnte noch Monate dauern. Die Anklageschrift gegen ihn umfasst dem Vernehmen nach 400 Seiten. Dazu kommen 7 000 Seiten im Anhang.Sollte es zu einem Prozess kommen, dürfte dieser vermutlich erst im kommenden Jahr beginnen. Tritt dies so ein, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Gerichtsverfahren gegen ihn und Winterkorn sogar parallel laufen. Diese Verfahrensstrategie könnte die Aufklärung der Fälle eventuell erleichtern.Mitte April hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig den 71-Jährigen und vier weitere ehemalige Führungskräfte von Volkswagen angeklagt. Die Strafermittler werfen Winterkorn schweren Betrug, Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb und Untreue vor. Das zuständige Landgericht prüft seitdem ebenfalls die Anklage (vgl. BZ vom 16. April). Winterkorn drohen bis zu zehn Jahre Haft, falls er verurteilt werden sollte. Das mögliche maximale Strafmaß gegen Stadler dürfte fünf Jahre betragen.Sollte er als unschuldig freigesprochen werden, wird VW ihm nur in diesem Fall eine Millionen-Abfindung auszahlen. Die Staatsanwaltschaft untersucht seit Jahren die Causa Audi. Die Strafermittler führten mehrere Razzien durch, darunter auch in Stadlers Haus.