Industriekonglomerat

GE-Chef Larry Culp will das Steuer nach Energie-Spin-off herumreißen

Larry Culp hat ein schweres Erbe bei der Industrieikone General Electric bisher erfolgreich bewältigt. Nun steht der wohl wichtigste Schritt in der Transformationsstrategie des CEO an.

GE-Chef Larry Culp will das Steuer nach Energie-Spin-off herumreißen

GE-Chef Larry Culp will Neuorganisation abschließen

Larry Culp ist 2018 als erster "Outsider" an die Spitze der General Electric gerückt.

Von Alex Wehnert, New York

Hinsichtlich der eigenen Zukunft will sich Henry Lawrence Culp nur ungern festlegen. "Fünf Jahre sind eine lange Zeit", sagte der von Mitarbeitern und Anlegern nur "Larry" gerufene CEO von General Electric (GE) bei einem Investorenevent jüngst auf die Frage, ob er der US-Industrieikone noch bis Ende des Jahrzehnts erhalten bleiben werde. Auf einen Mangel an Hingabe zu seinem Arbeitgeber ist Culps ausweichende Antwort laut Wegbegleitern aber nicht zurückzuführen. Vielmehr durchläuft das einst wertvollste Unternehmen der Welt eine der am tiefsten greifenden Neuorganisationen seiner bis ins Jahr 1892 zurückreichenden Geschichte – für den Manager, der den Wandel maßgeblich vorantreibt, eine äußerst kräftezehrende Aufgabe.

Der 1963 geborene Culp, der 24 Jahre lang im Mischkonzern Danaher aktiv war und diesen zwischen 2001 und 2014 führte, trat 2018 mit einer klaren Aufgabe bei GE an. Er sollte dem Aktienkurs des Konglomerats, der sich nie wirklich von den Verwerfungen der Finanzkrise 2008 und strategischen Fehlschlägen unter seinem Vorvorgänger Jeff Immelt erholt hatte, endlich neuen Schwung verleihen.

Strategische Fehlentscheidungen

Unter Immelt stieß der Konzern mit seinem Banking-Arm GE Capital, der bereits unter dem legendären CEO Jack Welch zum 500 Mrd. Dollar schweren Wall-Street-Spieler wurde, zunehmend in riskantere Marktsegmente vor und verstrickte sich ins Hypothekengeschäft. Nachdem die US-Immobilienblase platzte, retteten Warren Buffett und andere Investoren GE Capital zunächst durch eine 12 Mrd. Dollar schwere Finanzspritze, schließlich benötigte der Finanzriese aber einen 139 Mrd. Dollar schweren staatlichen Bail-out. Die Probleme im Gesamtkonzern verstärkten sich durch schlecht getimte Zukäufe im Energiegeschäft.

Auch Immelts Nachfolger John Flannery scheiterte daran, die einst für ihre Stabilität gerühmte Dividende von GE zu retten, und musste den CEO-Posten nur etwas mehr als ein Jahr nach seinem Amtsantritt räumen. Mit Culp übernahm darauf der erste Vorstandschef der Firmengeschichte das Steuer, der zuvor nicht in anderer Funktion für die Industrieikone gearbeitet hatte. Um das am Boden liegende Schwergewicht, das mit einem hohen Schuldenberg und einem Vertrauensverlust der Anleger konfrontiert war, auf die Beine zu bringen, musste der "Outsider" zu drastischen Maßnahmen greifen.

Aufspaltung soll Wertzuwachs bringen

Culp, der Danaher durch eine Verschlankung der Produktion und eine einheitliche Firmenkultur bereits zu einer effizienteren Organisation geformt hatte, beschloss die Aufspaltung von General Electric in spezialisierte Einzelunternehmen. Dies soll Entscheidungsprozesse beschleunigen und die Einheiten in die Lage versetzen, schneller auf Veränderungen im Markt und der Kundennachfrage zu reagieren. Zudem folgt Culp dabei der Theorie, dass die abgespaltenen Gesellschaften einzeln höhere Bewertungen erzielen können als im Verbund.

Im Januar des vergangenen Jahres schloss General Electric den Spin-off der Healthcare-Sparte ab, die seither als eigenständiger Wert an der Nasdaq notiert. Zwischen der Trennung vom Konglomerat und Montagmittag New Yorker Zeit legte die Aktie von GE Healthcare um mehr als 64% zu. Mit der Abspaltung von GE Vernova – in der Einheit sind die Geschäfte des Unternehmens mit Gas und erneuerbaren Energien untergebracht – will Culp das Steuer nun endgültig herumreißen.

Als Luftfahrt-Chef in die Zukunft

Der Spin-off ist für den 2. April angesetzt. Daraufhin wird die Sparte GE Aerospace die rechtliche Nachfolge der US-Industrieikone und ihr Tickersymbol an der New York Stock Exchange übernehmen. Culp soll das auf sich gestellte Luftfahrt-Unternehmen, einen der global größten Hersteller von Flugzeugtriebwerken, als Vorstandschef in die Zukunft führen.

An der Wall Street macht sich für das Projekt durchaus Optimismus breit. So geben laut S&P Global Market Intelligence 16 Analysten eine Einschätzung für die neue GE-Aerospace-Aktie ab – sieben empfehlen den Titel zum Kauf, davon fünf mit großem Nachdruck, während sechs weitere GE-Eignern zum "Halten" raten und nur drei auf "Verkaufen" votieren. Morgan Stanley verweist auf die starken Kundenbeziehungen in der Luftfahrtsparte und Kostenvorteile gegenüber der Konkurrenz. Transformator Culp, dem bei weiteren Kursanstiegen dank umstrittener Aktienzuteilungen millionenschwere Gewinne ins Haus stehen, will sich indes nicht durch Spekulationen über einen Abschied in den kommenden Jahren ablenken lassen. Er freue sich zunächst darauf, ein stärker fokussiertes Unternehmen zu leiten, betonte der Harvard-Absolvent jüngst auf dem Investorenevent.

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