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Gehaltsverzicht ist Reizthema für CEOs

Von Daniel Schauber, Frankfurt Börsen-Zeitung, 20.10.2020 Sollte der CEO ein Zeichen der Solidarität mit der Belegschaft senden und auf Vergütung verzichten? Unter den Vorstandschefs im Dax ist das auch in der zweiten Welle der Corona-Pandemie ein...

Gehaltsverzicht ist Reizthema für CEOs

Von Daniel Schauber, FrankfurtSollte der CEO ein Zeichen der Solidarität mit der Belegschaft senden und auf Vergütung verzichten? Unter den Vorstandschefs im Dax ist das auch in der zweiten Welle der Corona-Pandemie ein Reizthema, wie eine Blitzumfrage der Börsen-Zeitung ergab. Manch ein Vorstandschef verzichtet schon seit der ersten Welle im Frühjahr auf Teile seines Fixums, während sich andere darauf zurückziehen, dass sie schon durch die sinkende variable Vergütung ihr Scherflein beitragen. Und es gibt auch Dax-Unternehmen, die gut durch die Pandemie kommen und deren CEOs sich nicht in der Pflicht sehen, zusätzlichen Verzicht zu üben.Zu Letzteren gehört Henkel, die “im Vergleich zu Unternehmen anderer Branchen noch recht gut durch die Krise” komme. Der Düsseldorfer Konsumgütermulti fügt zudem selbstbewusst an: “Wir haben nirgendwo auf der Welt Kurzarbeit, wir zahlen allen Mitarbeitern die vollen Gehälter, wir brauchen keine Staatshilfen, wir haben unseren Aktionären die volle Dividende bezahlt und wir sind im September mit einem vollen Ausbildungsjahrgang gestartet. Daher sehen wir derzeit keinen Grund, das Grundgehalt der Vorstandsmitglieder abzusenken.”Ins gleiche Horn stößt der Wohnungskonzern Vonovia. “Unsere wirtschaftliche Situation ist auch in diesen Zeiten sehr stabil. Die Auswirkungen von Covid-19 haben wir bisher gut aufgefangen.” Außerdem, so der Konzern weiter, “gab und gibt es bei Vonovia bisher keine Kurzarbeit. Im Gegenteil: Wir stellen sogar weiter ein und bilden mehr junge Menschen aus als je zuvor. Deshalb sehen wir keinen Grund für einen Gehaltsverzicht des Vorstands.” “Selbstverständlichkeit” . . .Die Führungsriegen vieler anderer Dax-Konzerne sind durch Corona in einer weit weniger komfortablen Lage und sehen sich zum öffentlichkeitswirksamen Verzicht auf 10 bis 50 % der Festvergütung veranlasst. Häufig wird um 20 % gekürzt. Stefan De Loecker, CEO des Konsumgüterkonzerns Beiersdorf, verzichtet – wie alle Mitglieder des Executive Committees – auf 20 % seiner Festvergütung, und zwar seit April bis Ende des Jahres. “Es ist aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit, dass wir als Management-Team bei uns selbst anfangen und in dieser globalen Krisensituation Solidarität vorleben”, erklärt De Loecker. Die Mitglieder des BASF-Vorstands haben im zweiten Quartal auf 20 % ihrer Festgehälter verzichtet, und bei Covestro leisten seit Juni Aufsichtsrat, Vorstand und Beschäftigte “gemeinsam einen solidarischen Beitrag”, wobei sich Vorstand und Aufsichtsrat mit Gehaltsverzicht von 15 % beteiligen – befristet auf sechs Monate. “Für uns ist es selbstverständlich, dass wir die Belastungen angemessen verteilen und niemandem mehr als nötig abverlangen”, so CEO Markus Steilemann.Auch bei MTU Aero hält man es “für geboten”, sich per Gehaltsverzicht solidarisch zu zeigen. Vorstand und leitende Angestellte hätten bereits im Frühjahr auf “erhebliche Teile” ihrer aus dem Geschäftsjahr 2019 resultierenden variablen Vergütung verzichtet. Zugunsten eines Solidarfonds für Beschäftigte, die durch die Krise finanziell besonders betroffen sind, seien mehr als 4 Mill. Euro zur Verfügung gestellt worden. CEO Reiner Winkler habe 500 000 Euro in diesen Fonds eingezahlt.Bereits zur ersten Welle der Pandemie im Frühjahr hatten mehrere Vorstände Gehaltsverzicht angekündigt, zuweilen nach öffentlichem Druck. Die höchsten Wellen hierzulande schlug der Fall Adidas. Der Sportartikelhersteller handelte sich einen PR-GAU ein, als er für seine Läden die Miete aussetzen wollte, wofür er sich nach heftiger öffentlicher Kritik Anfang April entschuldigte. Adidas-Chef Kasper Rorsted sowie seine Vorstandskollegen verzichteten seit Ende März bis September auf die Hälfte ihres Festgehalts, ab Oktober erhält der Vorstand wieder sein volles Fixgehalt. Gestrichen wurden die kurz- und langfristigen Boni für 2020 – eine Auflage für die 3 Mrd. Euro Staatshilfe, die Adidas bekommt.Der Vorstand des schwer getroffenen Autozulieferers Continental verzichtete von April bis Ende Juli auf 10 % des Festgehalts, während der Daimler-Vorstand seit April bis zum Ende des Jahres eine Reduktion von 20 % des Grundgehalts hinnimmt.Bei der Deutschen Bank verzichten alle Mitglieder des Vorstands und des Konzernleitungskomitees 2020 auf einen Monat Festgehalt, und alle am 31.12.2019 aktiven Vorstandsmitglieder haben für 2019 auf ihre individuelle Komponente der variablen Vergütung verzichtet, und zwar “freiwillig und einstimmig”.Mehrere Dax-Konzerne verweisen in der Umfrage der Börsen-Zeitung mehr oder weniger deutlich darauf, dass ihr Solidarbeitrag für die Stakeholder auch ohne Verzicht auf Festvergütung schon groß genug sei. Joachim Wenning, CEO des Rückversicherers Munich Re, wird deutlich: “Munich Re verdient 2020 weniger, entsprechend geringer werden die Boni ausfallen. Unser Unternehmen erhält keine staatlichen Zuwendungen, beteiligt Aktionäre fortgesetzt am Geschäftserfolg und lebt Fürsorge für die Mitarbeiter, ein unabdingbarer Schutz vor coronabedingter Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit.”Auch Fresenius und Fresenius Medical Care verweisen darauf, dass die Höhe der Vorstandsbezüge stark an die Entwicklung des Unternehmens geknüpft sei, und zudem werde man in diesen Zeiten “mehr denn je gebraucht, um auf der ganzen Welt zahlreiche Patienten trotz der wegen Corona bestehenden Einschränkungen medizinisch zu versorgen”. . . . oder “kein Thema” Die Telekom erklärt unverblümt, dass ein coronabedingter Gehaltsverzicht für den Konzern “kein Thema” sei, und erinnert unter anderem daran, dass man während des Lockdowns im Frühjahr die Kunden mit zusätzlichem Datenvolumen versorgt sowie Schulen und Betrieben kostenlos Systeme für Videokonferenzen zur Verfügung gestellt habe.Klare Worte zum Thema freiwilliger Gehaltsverzicht hat auch der in den USA domizilierende Linde-CEO Steve Angel, der schon Ende Mai erklärt hatte: “Meine Vergütung ist fast vollständig erfolgsabhängig, ich bin zu 90 % im Risiko. Wenn wir als Unternehmen nicht erfolgreich sind, sinkt auch mein Gehalt. Für dieses Jahr hatten wir uns sehr ehrgeizige Ziele gesetzt. Wegen Corona werden wir diese so kaum erreichen können – und als Folge werde ich weniger verdienen, so einfach ist das.”