Googles Buchhalterin auf Mondfahrt
Von Stefan Paravicini, FrankfurtDer Internetkonzern Google hat gestern nach Börsenschluss in den USA die Zahlen zum zweiten Quartal vorgestellt. Erstmals präsentierte sich den Investoren dabei auch die neue Finanzchefin Ruth Porat, die Ende März von der Investmentbank Morgan Stanley, wo sie ebenfalls das Finanzressort leitete, zu Google gewechselt war (vgl. BZ vom 25. März). Neben den Eckdaten zur jüngsten Geschäftsentwicklung und möglichst konkreten Aussagen zu den weiteren Aussichten waren Marktbeobachter deshalb auch auf die Zwischentöne von Porat gespannt, die Hinweise darauf geben könnten, wie sie den Konzern in Zukunft steuern will.Dass Porat den Unternehmensgründern Larry Page und Sergey Brin ebenso wie ihr Vorgänger Patrick Pichette nur vom Beifahrersitz ins Steuer greifen kann, während CEO Page und CTO Brin zusammen mit Chairman Eric Schmidt die Richtung bei Google vorgeben, darf als ausgemacht gelten. Analysten erhoffen sich von Porat dennoch Zeichen dafür, dass sie vor allem in puncto Kostendisziplin ein schärferes Regiment als Pichette durchzusetzen vermag, vor allem wenn es um die diversen “Moonshots” von Google geht. Das Zutrauen von Investoren könnte die Finanzchefin auch schnell gewinnen, wenn sie etwas mehr Transparenz rund um die sprichwörtlichen Mondfahrt-Projekte des Konzerns schaffen würde, zum Beispiel mit Blick auf die konkreten langfristigen Erwartungen des Konzerns an Projekte wie Google Glass, das fahrerlose Automobil, die Gesundheitsforschung der Tochter Calico oder die Projekte der hauseigenen Ideenschmiede Google X, die mit dem Forscher Astro Teller auch einen “Captain of Moonshots” auf der Gehaltsliste stehen hat.Abgesehen von der Haltung Porats zu den Mondfahrt-Projekten ihrer Chefs sind Marktbeobachter auch gespannt auf die Einstellung der neuen Finanzchefin zu dem irdischen Geldhaufen in Höhe von 65 Mrd. Dollar, auf dem Google Ende des ersten Quartals saß. Ähnlich wie bei Apple dringen Investoren seit Jahren darauf, dass ein Teil dieses Geldes an sie geht, bevor es, nun ja, auf den Mond geschossen wird.Dass Porat Lust hat, neue Akzente zu setzen, hat sie mit ihrem Wechsel zu Google bewiesen. Der Umzug von der Finanzmetropole New York ins Technologie-Mekka Silicon Valley in diesem Frühjahr war fast drei Jahrzehnte nach ihrem Einstieg bei Morgan Stanley ihr erster beruflicher Schritt außerhalb der Bankenwelt. Neben ihren 21 Jahren bei Morgan Stanley war sie zwischenzeitlich neun Jahre für Smith Barney tätig gewesen. Nach ihrer Rückkehr zu Morgan Stanley 1996 hatte sie diverse leitende Positionen ausgefüllt. Zuletzt hatte sie von September 2006 an die Global Financial Institutions Group geleitet, ehe sie im Januar 2010 zur Finanzchefin der Investmentbank aufgestiegen war. Während der Finanzkrise hatte Porat das Morgan-Stanley-Team geführt, das dem US-Finanzministerium bei der Rettung von Fannie Mae und Freddie Mac beratend zur Seite stand. Rückkehr nach KalifornienEnge Verbindungen zwischen Morgan Stanley und Google bestehen spätestens seit dem Börsengang des Suchmaschinenbetreibers im Jahr 2004. Die Bank hatte das Initial Public Offering geleitet. Der Internetkonzern hat damit keine Unbekannte engagiert. Auch wenn Porat ihr komplettes Berufsleben an der Ostküste verbrachte, ist der Umzug nach Kalifornien für Porat eine Rückkehr. Bereits als Kind war sie in Palo Alto in Kalifornien zur Schule gegangen, wo ihr Vater über ein Vierteljahrhundert für das Stanford Linear Accelerator Center (SLAC) arbeitete. Das Google-Hauptquartier liegt lediglich 20 Minuten Fahrtzeit von dessen ehemaligem Arbeitsplatz an der Universität Stanford entfernt, an der auch Porat später studiert hatte. “Ich freue mich darauf, zu meinen kalifornischen Wurzeln zurückzukehren und mich Google anzuschließen”, sagte sie im März.