Britischer Unternehmensverband

Gratwanderung für Rain Newton-Smith

Rain Newton-Smith soll an der Spitze der Confederation of British Industry einen Neuanfang verkörpern. Es ist eine Gratwanderung, blickt die Volkswirtin doch auf eine lange Karriere bei dem Verband zurück, der von Missbrauchsvorwürfen erschüttert wird.

Gratwanderung für Rain Newton-Smith

Rain Newton-Smith (47) hat am Mittwoch die Führung der Confederation of British Industry (CBI) übernommen. Der Verband, der vorgibt, für 190.000 Firmen zu sprechen, wird von sexuellen Missbrauchsvorwürfen erschüttert. Die Kanzlei Fox Williams wurde mit deren Untersuchung beauftragt.

Newton-Smith habe großen Mut gezeigt, als sie die Position „in einer sehr schwierigen Zeit akzeptierte“, sagte CBI-Präsident Brian McBride. Die Oxford-Absolventin war neun Jahre lang als Chefvolkswirtin für die Lobby tätig, bevor sie sich für kurze Zeit als Managing Director bei der Großbank Barclays mit Strategie- und ESG-Themen beschäftigte. Es wird eine Gratwanderung. „Intern wird sie vermutlich sehr respektiert, aber angesichts ihrer langen Karriere in der Organisation ist fraglich, ob sie wirklich als der neue Besen effektiv sein kann, der schlechte Praktiken hinausfegt“, sagte Susannah Streeter, Head of Money & Markets bei Hargreaves Lansdown. Dem Verband drohe eine Cashflow-Krise, weil Unternehmen scharenweise ihre Mitgliedschaft aussetzten oder kündigten. „Es wird zunehmend deutlich, dass die Organisation drastisch reorganisiert und zurechtgestutzt werden muss, wenn sie eine Chance haben will, langfristig zu überleben“, sagte Streeter. Auch die City-Veteranin Helena Morrissey, die zuletzt als Chairwoman beim Broker AJ Bell fungierte, äußerte Zweifel daran, dass Newton-Smith einen Neuanfang verkörpern kann.

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Ehemalige Chefvolkswirtin signalisiert Neuanfang

hip London
von Andreas Hippin, London

Der „Guardian“ hatte den Betroffenen die Möglichkeit gegeben, ihr Leid zu schildern. Es begann Anfang März damit, dass Newton-Smiths Vorgänger Tony Danker unangemessenes Benehmen gegenüber Mitarbeiterinnen vorgeworfen wurde. Mittlerweile haben mehr als ein Dutzend weibliche CBI-Beschäftigte Vorwürfe gegen Kollegen vorgebracht, die von sexueller Belästigung über Stalking bis zu Vergewaltigung reichen.

Die diskreditierte Lobby, die einst für die Einführung des Euro, dann für den Verbleib in der EU trommelte, dürfte auf absehbare Zeit mit sich selbst beschäftigt sein. Für viele Firmen stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, warum sie noch für die Verbandsmitgliedschaft bezahlen sollen. Unter den Firmen, die ihre Mitgliedschaft bereits ausgesetzt oder beendet haben, befinden sich so bekannte Namen wie BMW, John Lewis und Mastercard sowie die Versicherer Aviva, Phoenix und Zurich.