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Greg Abel bringt sich für die Nachfolge von Warren Buffett in Position

Von Norbert Kuls, New York Börsen-Zeitung, 5.5.2020 Greg Abel musste lange auf seinen Auftritt warten. Starinvestor Warren Buffett begann die virtuelle Hauptversammlung von Berkshire Hathaway am vergangenen Samstag erst einmal mit einer Lehrstunde...

Greg Abel bringt sich für die Nachfolge von Warren Buffett in Position

Von Norbert Kuls, New YorkGreg Abel musste lange auf seinen Auftritt warten. Starinvestor Warren Buffett begann die virtuelle Hauptversammlung von Berkshire Hathaway am vergangenen Samstag erst einmal mit einer Lehrstunde in amerikanischer Geschichte. Buffett ging bis zum amerikanischen Bürgerkrieg zurück, um seine Vision eines Amerika zu belegen, dessen Fortschritt trotz aller Krisen langfristig nicht aufzuhalten ist. Wie immer saß der 89 Jahre alte Buffett zur Hauptversammlung auf einem Podium in der Sportarena der Provinzmetropole Omaha. Wegen der Corona-Pandemie war diesmal aber vieles anders. So fehlten die 40 000 Berkshire-Aktionäre, die jährlich nach Omaha pilgern, um Buffetts Weisheiten zu lauschen. Auch Charlie Munger war abwesend, Buffetts 96 Jahre alter Geschäftspartner.Dafür saß diesmal Greg Abel an Buffetts Seite, einer seiner potenziellen Nachfolger als Vorstandsvorsitzender (CEO) von Berkshire. Abel ist schon jetzt – mit Ausnahme des Versicherungsgeschäfts – für die Tochtergesellschaften von Berkshire verantwortlich, zu denen große Unternehmen wie die Frachteisenbahngesellschaft BNSF oder kleinere Firmen wie der Süßwarenhändler See’s Candies gehören. Für das Versicherungsgeschäft, zu dem unter anderem der große amerikanische Autoversicherer Geico zählt, zeichnet Ajit Jain verantwortlich. Buffett verwaltet mit Hilfe von zwei ehemaligen Hedgefondsmanagern auch ein Aktienportfolio, das bedeutende Beteiligungen am Elektronikkonzern Apple oder an Banken wie Wells Fargo enthält.Buffett hatte Abel und Jain Anfang 2018 befördert und im Februar angekündigt, dass die beiden Manager bei der Hauptversammlung eine größere Rolle spielen sollten. Jain blieb wegen der Pandemie aber in New York. Munger lebt in Kalifornien und blieb auch zu Hause. Abel, der lange den in Iowa ansässigen Stromversorger Berkshire Hathaway Energy geführt hatte, wohnt aber nur zwei Autostunden von Omaha entfernt.So war es das erste Mal, dass einer von Buffetts in der Öffentlichkeit bisher kaum bekannten potenziellen Nachfolgern derart im Rampenlicht stand. Es deutet außerdem alles darauf hin, dass Abel derzeit die besten Chancen hat. Buffett lobte Jain am Samstag zwar als Versicherungsexperten, bezeichnete Abel allerdings als Fachmann für die “Allokation von Kapital” – die zentrale Aufgabe des Berkshire-CEO.Gleichwohl war die Kamera bei der im Internet gestreamten Hauptversammlung zunächst nur auf Buffett gerichtet. Erst als der Frageteil begann, brachte Buffett Abel ins Spiel. Buffett sprach über die Folgen der Pandemie, über die dramatischen Konsequenzen für die Fluggesellschaften und die Ungewissheit für die Wirtschaft. “Greg, möchten Sie dem noch etwas hinzufügen?”, fragte Buffett. Die Kamera schwenkte auf Abel. “Wirklich nichts hinzuzufügen, Warren.” Buffett: “Okay. Wir haben hier einen zweiten Charlie.” Das war einer der etwas heiteren Momente der Hauptversammlung. Der Spruch “nichts hinzuzufügen” ist ein Klassiker des immer etwas grantelig wirkenden Munger, der bei den Aktionären von Berkshire regelmäßig für Lacher sorgt. Abel ist natürlich kein zweiter Munger. Kenner von Berkshire wie der Wirtschaftsrechtler Lawrence Cunningham von der George Washington University halten den Manager aber wegen seiner bodenständigen Art und seines Geschäftssinns für einen zweiten Buffett.Der 57-Jährige stammt aus Kanada, studierte an der University of Alberta und arbeitete zunächst als Wirtschaftsprüfer. 1992 kam er zum kalifornischen Stromversorger Calenergy, der Teil der Energiesparte von Berkshire ist. Buffett hat Abel, der die Sparte mit Zukäufen groß gemacht hat, in den vergangenen Jahren als “Dealmaker” gelobt. Munger hält ihn für “Weltklasse”.Im weiteren Verlauf der Hauptversammlung hatte Abel durchaus Dinge hinzuzufügen. Er sprach von den Schwierigkeiten der Berkshire-Tochtergesellschaft Precision Castparts, ein Luftfahrtzulieferer, der unter nachlassender Nachfrage leidet. Und er versicherte, dass die Kultur von Berkshire sich nicht verändern wird, wenn Buffett irgendwann nicht mehr an der Spitze stehen sollte. Abel wendete sich bei seinen Antworten oft Buffett zu, so als wolle er sehen, ob sein Ziehvater einverstanden ist. Aber dann kam auch sein Selbstbewusstsein durch. “Hören Sie, es gibt niemanden, der besser ist als Warren und Charlie, aber wir haben ein talentiertes Team bei Berkshire”, sagte Abel.