David Cameron kehrt zurück
Großbritanniens ehemaliger Premierminister David Cameron kehrt zurück
Von Andreas Hippin, London
Die Führungsspitze der britischen Konservativen hat einen Schlussstrich unter das Brexit-Referendum und die darauffolgenden Jahre gezogen. David Cameron wird James Cleverly als Außenminister ablösen. Damit kehrt der ehemalige Premierminister, der die Briten über die EU-Mitgliedschaft abstimmen ließ, zurück ins Zentrum der Macht. Cleverly muss sich mit dem Innenministerium zufriedengeben, einem undankbaren Job. Premierminister Rishi Sunak entließ mit der bisherigen Amtsinhaberin, Suella Braverman, die letzte Vertreterin des rechten Flügels der Regierungspartei in einer wichtigen Position.
Boarding School Boys
„Die Boarding School Boys sind wieder am Ruder“, schrieb Patrick O'Flynn auf der Website des „Spectator“. Damit seien die Chancen geschwunden, dass die Tories eine konservative Politik verfolgen. Schatzkanzler Jeremy Hunt ging auf die Charterhouse School, Cameron ist ein Eton-Zögling, Sunak war am Winchester College. Alle stehen für einen großbürgerlichen Liberalismus, der mit dem Sozialkonservatismus der EU-Austrittsbefürworter, die den Tories 2019 eine überwältigende Mehrheit verschafften, nichts zu tun hat. Frauen sind in den Spitzenpositionen nicht mehr zu finden.
Klinkenputzer für Greensill
Für Cameron, der sein Amt nach dem Mehrheitsvotum für den EU-Austritt hinschmiss und ein Machtvakuum hinterließ, ist es ein bemerkenswertes Comeback. Der ehemalige Parteivorsitzende Iain Duncan Smith nannte es „erstaunlich“. Zuletzt zog Cameron während des Greensill-Skandals die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Seine Tätigkeit als Klinkenputzer für das auf Beschaffungskettenfinanzierung spezialisierte Fintech-Unternehmen im Regierungsviertel war zwar weitgehend erfolglos, doch wurde sie ihm fürstlich vergütet. Er habe stets in gutem Glauben gehandelt und nichts Unrechtmäßiges getan, ließ er nach der spektakulären Implosion von Greensill durch seinen Sprecher ausrichten.
„Goldenes Zeitalter“
Auch das „goldene Zeitalter“ der britisch-chinesischen Beziehungen, das Cameron einst mit seinem Schatzkanzler George Osborne ausgerufen hatte, verlor schnell seinen Glanz. Chinesische Staatsunternehmen in England Atomkraftwerke bauen zu lassen, erwies sich als schlechte Idee. Spätestens seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong kann von guten bilateralen Beziehungen nicht mehr die Rede sein.
„Stärkstmögliches Team“
„Auch wenn ich mit einzelnen Entscheidungen nicht einverstanden gewesen sein mag, ist mir dennoch klar, dass Rishi Sunak ein starker und fähiger Premierminister ist, der in einer schwierigen Zeit außerordentliche Führungsstärke zeigt“, heißt es in einer Einlassung Camerons. Er wolle Teil des „stärkstmöglichen Teams“ sein, das „dem Land präsentiert werden kann, wenn die Unterhauswahlen abgehalten werden“.
Camerons Rückkehr macht deutlich, dass sich die Tory-Führung umorientiert hat. Sunaks Idee, sich als Kandidat der Veränderung zu präsentieren, der dem „30-jährigen Status quo“ ein Ende setzen will, ist vom Tisch. Stattdessen zieht ein Vertreter dieses Status quo ins Foreign Office ein. Man will bei den Wahlen, die spätestens im Januar 2025 stattfinden müssen, um die Mitte kämpfen. Die Unterstützer von Braverman & Co. wurden offenbar für randständig befunden. Selbst die BBC wurde von Camerons Comeback überrascht. Offenbar haben selbst führende Medienorganisationen keinen großen Zugang zur britischen Regierung.
Braverman hatte im Streit um die unkontrollierte Zuwanderung über den Ärmelkanal eine harte Linie verfochten und sich immer wieder als „Law and order“-Politikerin profiliert. Nachdem sie der Londoner Met Police Parteilichkeit im Umgang mit politischen Kundgebungen vorgeworfen hatte, forderten Labour, die Liberaldemokraten und einzelne Tory-Abgeordnete ihren Rücktritt.