Gründerenkel Lee rückt an Spitze von Samsung
Von Martin Fritz, Tokio
Nach acht Jahren Vakanz verfügt Samsung Electronics wieder über einen handlungsfähigen Vorsitzenden des Verwaltungsrates. Der langjährige Kronprinz Lee Jae-yong (54) übernimmt den Posten von seinem Vater Lee Kun-hee, der 2014 nach einem Herzinfarkt ins Koma fiel und vor zwei Jahren starb.
Der Verwaltungsrat verwies auf den „dringenden Bedarf an stabilem Management und Führung in einem immer schlechteren globalen Geschäftsumfeld“. Die Aussage bezieht sich auf den laufenden Abschwung in der Halbleiterindustrie. Aufgrund hoher Inflation und teurer Energie lässt die Nachfrage nach Computern, Smartphones und Servern weltweit nach. Die Preise für Speicherchips mit Samsung als Weltmarktführer sind um 20 % gefallen.
„Zweifellos stehen wir an einem Schlüsselmoment“, bestätigte Lee die Krisenlage und forderte in einem Brief an die Mitarbeiter, sich „auf Talent und Technologie zu konzentrieren“.
Begnadigung im August
Zunächst hatte der einzige männliche Enkel der Gründerfamilie aus Pietät darauf verzichtet, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Dann verhinderten eine Verurteilung wegen Bestechung und eine Gefängnisstrafe von 30 Monaten die Nachfolge. Lee kam zwar nach 18 Monaten Haft auf Bewährung frei, aber erst die Begnadigung im August hob das für Wirtschaftsstraftäter vorgeschriebene Arbeitsverbot im eigenen Unternehmen auf.
Jedoch ist die Beförderung größtenteils symbolisch. Schon in seiner bisherigen Rolle als Vize-Chairman hatte Lee das Konglomerat mit rund 60 Unternehmen vom Schiffbau bis zu Versicherungen sowie das Flaggschiff Samsung Electronics kontrolliert. Auch ohne eigene große Aktienanteile werden dem Vertreter der Gründerfamilie in der Konzernführung nämlich die wichtigsten Entscheidungen wie Investitionen und Übernahmen überlassen.
Im Vierteljahr zwischen Juli und September hat der Elektronikgigant den Umsatz um knapp 4 % auf 76,8 Bill. Won (53,8 Mrd. Euro) gesteigert. Jedoch fielen der Betriebsgewinn um 31 % auf 10,9 Bill. Won (7,6 Mrd. Euro) und der Nettoertrag um 24 % auf 9,4 Bill. Won (6,6 Mrd. Euro). Der Anteil des Halbleitergeschäfts am Konzerngewinn schrumpfte von knapp zwei Dritteln auf die Hälfte.
Auf mittlere Sicht zeigt sich Samsung Electronics aber optimistisch. Danach wird die Nachfrage nach Speicherchips durch neue Chips und den Neubau von Rechenzentren im zweiten Halbjahr 2023 wieder anziehen. Trotz des Abschwungs sollen die Kapitalausgaben nicht sinken. Solche antizyklischen Investitionen gelten als traditioneller Erfolgsfaktor des Hardwareriesen aus Südkorea.