Groebler will Stahlindustrie „vom Kopf auf die Füße stellen“
Groebler will Stahlindustrie „vom Kopf auf die Füße stellen“
sar Frankfurt
„Stahlwerker lieben Stabilität“, stellt Salzgitter-CEO Gunnar Groebler bei seinem Besuch im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten klar – und dennoch führt er das Unternehmen gerade durch einen tiefgreifenden Umbau. Der vierfache Vater, der Anfang Mai seinen 52. Geburtstag feiert, ist seit drei Jahren Vorstandsmitglied der Salzgitter AG, seit Juli 2021 ist er CEO. Nach mehr als 20 Jahren beim Energieversorger Vattenfall hat der Ingenieur sich vorgenommen, Salzgitter auf dem Weg vom grauen zum grünen Stahl zu begleiten. Dafür müsse man die traditionsreiche Stahlindustrie „vom Kopf auf die Füße stellen“.
Groebler sieht große Kundennachfrage
Bei Salzgitter soll das Transformationsprojekt unter dem Namen „Salcos“ die Stahlproduktion in drei Stufen bis 2033 komplett auf eine CO2-arme Rohstahlerzeugung umstellen. Dafür wird Groebler zufolge ein mittlerer einstelliger Milliardenbetrag fällig. Die erste Stufe soll ab 2026 grünen Stahl produzieren, die Kosten liegen bei 2,3 Mrd. Euro. Eine staatliche Förderung über insgesamt 1 Mrd. Euro von Bund und Land floss im Frühjahr 2023. Das Projekt wird laut CEO Groebler „die größte Investition der Firmengeschichte“.
Derzeit seien Kunden bereit, für grünen Stahl einen Aufpreis zu bezahlen. Der langjährige Vattenfall-Manager glaubt, dass ähnlich wie bei grünem Strom die Kostenkurve auch für grünen Stahl fallen wird. Bereits am Ende des Jahrzehnts könne der Kipppunkt erreicht sein, an dem grauer Stahl teurer werde als grüner. Groebler will Salzgitter dabei als „Pionier“ positionieren und vorn dabei sein. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man für alle heute in Europa befindlichen Hüttenwerke einen Transformationspfad findet, der sich am Ende rechnet“, sagte er. Bei Salzgitter arbeiten derzeit 25.000 Beschäftigte, die 2023 einen Außenumsatz von 11 Mrd. Euro realisierten.
Salzgitter-CEO Gunnar GroeblerWir sind ‚far beyond Powerpoint‘.
In grünem Stahl sieht Ingenieur Groebler einen der größten Hebel, um den CO2-Fußabdruck zu senken. Salzgitter allein ist mit 8 Mill. Tonnen CO2-Emissionen jährlich für etwa 1% der deutschen Gesamtemissionen verantwortlich. Im Zuge der Transformation will Salzgitter zwei Direktreduktionsanlagen und drei Elektroöfen errichten, die schrittweise die drei bestehenden Hochöfen und Konverter ersetzen sollen. Die auf Kokskohle beruhende Stahlproduktion werde von einer wasserstoffbasierten Route abgelöst, dies soll rund 95% der CO2-Emissionen einsparen. „Wir sind ‚far beyond Powerpoint‘“, betont Groebler. Auf dem Werksgelände in Salzgitter rollten die Bagger – parallel zum laufenden Betrieb.
Krisenmanagement im Aurubis-Aufsichtsrat
Gefragt ist Groebler aber nicht nur beim Umbau von Salzgitter. Auch die Beteiligung Aurubis, in deren Aufsichtsrat Groebler sitzt, muss sich wandeln. Der Kupferhersteller war im vergangenen Jahr durch mehrere Fälle von Betrug und Diebstahl in die Schlagzeilen geraten. Groebler sieht in der Beteiligung an sich Vorteile – das Geschäft von Aurubis folge einem anderen Zyklus, der den des Stahlherstellers dämpfe und ausgleiche, begründet er das Engagement.
Doch die Unternehmenskultur bei Aurubis müsse sich verändern, und das dauere Jahre. Als Aufsichtsrat will Groebler sicherstellen, dass die Vorfälle transparent aufgearbeitet werden. Derzeit gebe es „ein hohes Maß an Verunsicherung in der Mannschaft“, sagt Groebler. Nach dem schon erfolgten Abgang von Produktionsvorstand Heiko Arnold werden in den kommenden Monaten auch Finanzvorstand Rainer Verhoeven und CEO Roland Harings ihre Verträge vorzeitig beenden. Groebler sieht es nun als Hauptaufgabe, bei Aurubis „wieder Ruhe reinzubringen“.