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Heinrich Hiesinger 60

Von Annette Becker, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 23.5.2020 Der 5. Juli 2018 wird Heinrich Hiesinger wohl auf Ewigkeiten im Gedächtnis bleiben. An diesem Tag zog der promovierte Elektroingenieur schweren Herzens einen Schlussstrich unter seine Ära bei...

Heinrich Hiesinger 60

Von Annette Becker, DüsseldorfDer 5. Juli 2018 wird Heinrich Hiesinger wohl auf Ewigkeiten im Gedächtnis bleiben. An diesem Tag zog der promovierte Elektroingenieur schweren Herzens einen Schlussstrich unter seine Ära bei dem traditionsreichen Ruhrgebietskonzern Thyssenkrupp. Ob der gebürtige Schwabe, der am 25. Mai sein 60. Lebensjahr vollendet, seine Entscheidung je bereute, ist nicht überliefert. Dass er die sich bis heute überschlagenden Ereignisse bei Thyssenkrupp eng mitverfolgt, scheint jedoch außer Frage zu stehen. Es gibt wohl keinen anderen deutschen Traditionskonzern, der sein Top-Management – zumindest in der Vergangenheit – emotional so eng an sich zu binden verstand.Dennoch war es Hiesinger, der im Sommer 2018 den Bettel hinschmiss, obwohl er kurz zuvor die über Jahre verhandelte Stahlfusion mit Tata Steel durch den Aufsichtsrat und damit in trockene Tücher gebracht hatte. Die Aufsichtsratssitzung, in welcher der Vorstand das Fusionsprojekt zur Zustimmung vorlegte, war letztlich jedoch der Auslöser für den überraschenden Abgang des Vorstandschefs. Gleich drei Vertreter der Kapitalseite hatten dem Vorstand die Gefolgschaft verweigert. Vom Aufsichtsrat düpiertDass die Stahlfusion am Ende am Veto der EU-Kommission scheitern sollte, war zum damaligen Zeitpunkt nicht ersichtlich, hätte allerdings auch nichts am Entschluss Hiesingers geändert. “Ein gemeinsames Verständnis von Vorstand und Aufsichtsrat über die strategische Ausrichtung ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensführung”, hatte der Manager seinen Kontrolleuren hinterhergerufen. Nur wenige Tag später warf auch Aufsichtsratschef Ulrich Lehner hin und sorgte damit für die Vollendung des Führungschaos.Als Hiesinger im Januar 2011 seinen Dienst an der Vorstandsspitze von Thyssenkrupp antrat, hatte er schon eine beachtliche Karriere hinter sich – bei Siemens, wo er im Anschluss an die Promotion an der Technischen Universität München 1992 anheuerte. Dort arbeitete sich der Älteste von sechs Geschwistern zielstrebig, aber ohne Ellenbogeneinsatz nach oben. In nur sieben Jahren gelang ihm der Aufstieg vom Geschäftsgebietsleiter zum Zentralvorstand. Mit der Zuständigkeit für den Industriesektor zeichnete er dort von 2007 an für die größte Sparte verantwortlich.Authentisch, unprätentiös und konsequent sind die Eigenschaften, die Hiesinger von Weggefährten zugeschrieben werden und auch bei Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme großes Interesse weckten. Cromme, der zugleich Oberaufseher von Thyssenkrupp war und sich damals noch Hoffnung auf die Nachfolge an der Spitze der Krupp-Stiftung machte, fackelte nicht lang und lotste Hiesinger zu Thyssenkrupp. Eilte dem Siemens-Manager doch der Ruf des erfolgreichen Sanierers voraus und Thyssenkrupp brauchte nach den milliardenschweren Fehlinvestitionen ins Stahlgeschäft in Übersee nichts dringlicher als einen umsichtigen Turnaround-Manager.Seit seinem Abtritt von der Vorstandsbühne bei Thyssen ist es um Hiesinger ruhig geworden. Sein Name fällt allenfalls noch im Zusammenhang mit seinen Aufsichtsratsmandaten bei BMW (seit 2017) und der Deutschen Post (seit 2019).