Absetzung

HNA-Gründer Chen Feng geht von Bord

Jetzt ist es sozusagen amtlich. Die Entrepreneur-Karriere des Mitgründers und langjährigen Chefs der mit einem schuldenfinanzierten globalen Akquisitionsrausch vor die Wand gefahrenen chinesischen HNA Group, Chen Feng (67), kann endgültig als...

HNA-Gründer Chen Feng geht von Bord

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Jetzt ist es sozusagen amtlich. Die Entrepreneur-Karriere des Mitgründers und langjährigen Chefs der mit einem schuldenfinanzierten globalen Akquisitionsrausch vor die Wand gefahrenen chinesischen HNA Group, Chen Feng (67), kann endgültig als beendet erklärt werden. Eine neue Aufstellung des Parteikomitees der Gesellschaft lässt den Namen Chen in der Besetzungsliste des neunköpfigen Gremiums vermissen. Das ist gleichbedeutend mit einem totalen Machtentzug für die jahrzehntelang eminente Führungsfigur und lenkende Hand der HNA.

Neuer Chef des HNA-Parteikomi­tees – der einem Board ähnlichen eigentlichen Machtbasis des Konzerns – ist der zuletzt bereits als Executive Chairman fungierende Gu Gang. Unter seiner Regie soll HNA Group den steinigen Sanierungs- und Restrukturierungsweg begehen, um sich von einer exorbitanten Schuldenlast zu befreien. Dies ist freilich nur über eine schrittweise Rückabwicklung der einst atemberaubenden internationalen Shoppingtour des Mischkonglomerats zu bewerkstelligen.

Der Augiasstall gehört über Assetverkäufe gründlich ausgemistet, was sich in der von der Corona-Pandemie stark angegriffenen Mergers-&-Acquisitions-Szene alles andere als einfach darstellt. Gu, der als ein nüchterner Sanierer auf Geheiß Pekings eingesetzt wurde, hat dies kürzlich so ausgedrückt: „Ziel ist eine Fortführung und Vertiefung der Risikoabwicklungsarbeit bei HNA auf Grundlage von rechts- und marktbasierten Prinzipien, um dem Konzern zu gesunden Strukturen zu verhelfen und ein stabiles und langfristiges Wachstum zu ermöglich.“

Da kann man nur Glück wünschen. Derzeit nämlich weiß niemand so recht, was aus dem bunt zusammengekauften Gebilde an langfristig profitablen und wachstumsträchtigen Geschäften noch übrig bleiben soll. Schließlich ist HNA im ursprünglichen Kerngeschäft ein Airline-Betreiber und Touristikkonzern. Man könnte auch sagen, dass die „HNA-DNA“ in einer Branche liegt, die wegen der Herausforderungen der globalen Corona-Pandemie nicht ge­rade von gesunden Strukturen ge­prägt ist beziehungsweise ein stabiles langfristiges Wachstumspotenzial aufweist.

Größenwahn

Chen und sein im Jahr 2018 unter mysteriösen Umständen bei einem Frankreich-Aufenthalt verstorbener Kompagnon Wang Jian hatten im Jahr 1993 mit der zunächst regionalen Fluggesellschaft Hainan Airlines privaten Schwung in das von staatlichen Carriern dominierte chinesische Fluggeschäft gebracht. Dabei gelang es ihnen, die Investorenlegende George Soros als einen frühen Geldgeber der Hainan Airlines mit an Bord zu nehmen. Mit zunehmenden Vorstößen im Hotel- und Touristikgeschäft wurde HNA zu einer treibenden Kraft für die Entwicklung der damals noch rückständigen Provinz Hainan als eine neue touristische Hochburg im Reich der Mitte.

Das ehrgeizige Unternehmerduo entwickelte allerdings hochtrabende Ambitionen, HNA Group zum Weltkonzern und Aushängeschild für den Globalisierungselan von „Corporate China“ zu machen. Mitte der letzten Dekade schien HNA schier unbegrenzten Zugang zu Bankkrediten und Anleihemitteln zu finden, um immer großspurigere Zukäufe ohne erkennbare strategische Linie zu tätigen. Ab 2015 ging HNA auf eine rund 40 Mrd. Dollar schwere ausländische Shoppingtour, die unter anderem in aufsehenerregenden Beteiligungen am weltgrößten Hotelbetreiber Hilton Worldwide Holdings und auch der Deutschen Bank mündete.

Als die chinesische Regierung Anfang 2017 eine Kampagne zur Eindämmung überbordender Verschuldungsrisiken lostrat, wurden Konglomerate wie HNA, Anbang und Wanda von Peking wieder zurückgepfiffen. Im Falle der HNA kam dann zum Vorschein, was ausländische Experten stets moniert hatten, nämlich dass das unsolide refinanzierte Firmensammelsurium nicht genügend Gewinne abwirft, um die exorbitanten Zinslasten abzudecken. Damit ist auch der sich jahrelang bester Verdrahtung zur politischen Elite des Landes erfreuende Chen offensichtlich immer mehr in Ungnade gefallen und nun stillschweigend aus dem HNA-Führungskreis entfernt worden.

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