"Ich gehe nirgendwo hin"
Von Lisa Schmelzer, FrankfurtDass die Chefs von Fluggesellschaften und ihre Piloten nicht gerade eine Liebesbeziehung verbindet, ist auch hierzulande bekannt. Dennoch sucht das Szenario, das sich gerade jenseits des Atlantiks, genauer gesagt im US-Staat Texas, abspielt, bisher seinesgleichen. Die Piloten, aber auch die Techniker und Flugbegleiter von Southwest Airlines fordern unisono die Ablösung ihres obersten Chefs Gary Kelly und seines für das operative Geschäft zuständigen Vorstandskollegen Mike Van de Ven. Southwest Airlines ist nicht irgendeine Klitsche im hintersten Winkel der texanischen Wüste, sondern die seit Jahren mit Abstand erfolgreichste Airline der Vereinigten Staaten. Sie gilt vielen europäischen Billigfliegern als Vorbild, ist sozusagen die Mutter aller Low-Cost-Carrier.Doch die Airline-Angestellten lassen derzeit kein gutes Haar an ihrem Führungspersonal. Das Management verpulvere Milliarden Dollar in Aktienrückkaufprogrammen und schiebe einen gewaltigen Investitionsstau in Flotte und IT vor sich her. “Wir können nicht länger stillsitzen und dabei zusehen, wie eine schlechte Entscheidung nach der anderen Southwest Airlines und unsere Kunden belastet”, wird der Präsident der Pilotenvertretung zitiert.Nun könnte man meinen, dass da einfach nur während einer Tarifauseinandersetzung – die Fluglinie steckt mit allen drei Berufsgruppen in komplizierten Verhandlungen – mit besonders harten Bandagen gekämpft wird. Wären da nicht Investoren, die in das gleiche Horn wie die Arbeitnehmer stoßen. Nach Vorlage der Quartalszahlen Ende Juli wurde Kritik an dem “unvorbereiteten” Management laut, dessen Benehmen “seltsam und ohne Berührungspunkte mit den Prioritäten der Investoren” gewesen sei. Eine Analystin berichtete von frustrierten Investoren, die mit der Performance der Fluglinie unzufrieden seien. Es seien Bedenken geäußert worden, ob Airline-Veteran Kelly, der seit 30 Jahren bei dem Unternehmen ist, die richtigen Ideen für die Fluglinie und deren Zukunft habe. Der Aktienkurs war nach Präsentation der Zahlen, die unter den Erwartungen geblieben waren, um 10 % eingebrochen. Southwest hat zu kämpfenDie erfolgsverwöhnte Southwest hatte über viele Jahre Quartal für Quartal die Ergebnisse verbessert und war auch durch die diversen Krisen der Luftfahrtbranche nicht ausgebremst worden. Allerdings haben die Konkurrenten in jüngster Vergangenheit aufgeholt. Antworten auf den wachsenden Wettbewerb blieben Kelly und seine Kollegen bisher aber schuldig. Sie verschoben die Auslieferung von 67 neuen Boeing-Fliegern, um Investitionskosten zu senken, kündigten aber gleichzeitig Aktienrückkaufprogramme im Gesamtvolumen von 3,5 Mrd. Dollar an. Der Aktienkurs, der noch im Dezember 2015 fast 50 Dollar erreichte, dümpelt inzwischen um die 36 Dollar herum, die Marktkapitalisierung ist von über 30 Mrd. auf 22 Mrd. Dollar geschrumpft.Gary Kelly, seit 2008 als CEO und Chairman an der Spitze des Unternehmens, schwieg zunächst tagelang zu den Vorwürfen. Mitte dieser Woche setzte sich der Manager, der 1986 als Controller bei Southwest angefangen hatte, zur Wehr. Viele der Anschuldigungen seien schlichtweg falsch, und Tarifverhandlungen dürften nicht als Freibrief für schlechtes Benehmen gelten. Die Rücktrittsforderungen wischte der 1955 geborene Texaner vom Tisch: “Ich gehe nirgendwo hin.”