Investor Relations-SerieJulia Bock, K+S

„Ich habe vermisst, dass mein Telefon klingelt"

Julia Bock, die Leiterin der Investor Relations im Bergbaukonzern K+S, schätzt an ihrer Arbeit besonders den persönlichen Kontakt mit allen Stakeholdern sowie die Abwechslung, die diese Tätigkeit mit sich bringt.

„Ich habe vermisst, dass mein Telefon klingelt"

„Ich habe vermisst, dass mein Telefon klingelt"

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt

So einen Satz hört man selten: „Ich habe vermisst, dass mein Telefon klingelt.“ Gesagt hat das Julia Bock, seit Oktober 2021 Leiterin der Investor Relations (IR) im Bergbaukonzern K+S. Wer nun vermutet, Bock (Jahrgang 1983) sei ein Workaholic und könne selbst am Wochenende und im Urlaub an nichts anderes als an die Arbeit denken, irrt. Denn der Satz fiel im Kontext ihres Ausflugs ins Unternehmenssekretariat von K+S, der von Juli 2014 bis September 2018 dauerte. Davor, von Januar 2011 bis Juni 2014, und danach, ab Oktober 2018, war Bock Senior IR Managerin. „Der Schlenker ins Corporate Secretary hat mir gezeigt, wie sehr mein Herz für IR schlägt, wie sehr ich den persönlichen Kontakt mit Menschen brauche.“

Bock habe u.a. die Termine vermisst, zu denen sie Informationen hätte vermitteln können. „Im Corporate Secretary“, dessen Leitung ihr 2016 übertragen wurde, „war ich eher Informationsaufnehmer.“ Dennoch sei die Zeit in der Abteilung nützlich und wichtig gewesen, „weil ich sehr viel über das Zusammenspiel von Vorstand und Aufsichtsrat gelernt habe, was sich danach auch positiv auf meine Arbeit für die Investorenbeziehungen ausgewirkt hat“.

Persönlicher Kontakt mit Menschen und abwechslungsreiche Arbeit wird geschätzt

Es sei das, was sie an ihrer Arbeit am meisten schätze: der persönliche Kontakt mit Aktionären, Analysten und anderen Stakeholdern sowie Leuten, die sich einfach für das Unternehmen interessieren. Eine Aussage, die man von IR-Mitarbeitern häufig hört. Ebenso wie den zweiten großen Reiz dieser Tätigkeit: die Abwechslung. „Es gibt immer neue besondere Situationen, neue Herausforderungen.“ Gemünzt auf K+S resümiert sie: „Es gab Jahre, in denen wir eine Kapitalerhöhung brauchten oder in denen wir viel über Fremdfinanzierung machen mussten, und welche, in denen wir überlegt haben, wie wir das viele Geld an die Aktionäre verteilen können.“

Und der Kalimarkt sei sowieso nie gleich, „deshalb ist auch die Frage nach dessen Normalzustand so schwierig zu beantworten“. Kurz gesagt: „Es wird nie langweilig.“

Kampf um Informationen verärgert

Gibt es umgekehrt etwas in ihrer täglichen Arbeit, worauf Bock gut verzichten könnte? „Was ich überhaupt nicht mag, ist, an irgendeiner Stelle – das kann intern sein, das kann extern sein − kämpfen zu müssen, um an eine vielleicht sogar ganz banale Information zu kommen, die ich für meine Arbeit brauche.“

„Wir bekommen Anfragen von Aktionären, die eine Aktie haben, ebenso wie von Großinvestoren, die elf Millionen Aktien halten“, erzählt Bock. Bei insgesamt 179 Millionen ausgegebenen Anteilsscheinen entspräche das einem Anteil von über 6% an K+S.

Da die Kursentwicklung von K+S seit April 2022 tendenziell abwärts läuft und die Aktie derzeit knapp 11 Euro und damit – vom jüngsten Tief im Spätsommer abgesehen – so wenig kostet wie seit Mai 2021 nicht mehr, liegt der Verdacht nahe, dass sich viele der Anfragen darauf beziehen. Das ist gemäß Bock aber eine Frage der Aktionärsgruppe: „Fragen zum Kurs und der schwachen Performance kommen in der Regel von privaten Anlegern, weil die sich nicht so detailliert mit ihrem Investment beschäftigen wie ein institutioneller Investor, der ihnen zum Beispiel den tagesaktuellen Kalipreis nennen kann, weil er den Zugang zu ganz anderen Informationsmitteln hat.“ Von Institutionellen kämen eher Fragen im Zusammenhang mit der Bewertung, etwa warum die Multiples schlechter seien als bei Wettbewerbern oder warum der Kurs deutlich unter dem Buchwert liegt.

40 Prozent der K+S-Anteile halten Privataktionäre

Nach Angaben von Bock halten Privataktionäre rund 40% an K+S. „Das ist ein wichtiger Teil unseres Aktionariats, weil bei dieser Aktionärsgruppe die Langfristperspektive eher gegeben ist als beispielsweise bei einem Hedgefonds aus London. Das sage ich ohne Werturteil. Nur passt eine Kurzfristperspektive nicht so recht zu unserem Geschäft als Bergbauunternehmen, wo häufig wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen, deren Folgen sich über eine sehr lange Zeitspanne ziehen.“

Bock nennt als Beispiel das K+S-Kaliwerk Bethune im Süden Kanadas, das nach dem Verbundwerk Werra, das sich über die Bundesländer Hessen und Thüringen erstreckt, der zweitgrößte Standort des Düngemittel- und Salzproduzenten ist. „Gemessen an den ausgewiesenen Reserven hat Bethune eine Lebensdauer von 150 Jahren. Wenn wir dann noch alles dazu nehmen, was an Potenzialen verborgen ist, kommen wir auf über 250 Jahre. Wenn ihr Zeithorizont der Renteneintritt ist, werden Sie dieses Potenzial stärker in ihre Anlageentscheidung einfließen lassen als mit einem nur kurzen Anlagehorizont von wenigen Monaten.“

Private wollen Dividende, Institutionelle bevorzugen Aktienrückkäufe

Noch einen anderen großen Unterschied gibt es laut Bock zwischen privaten und institutionellen Investoren: Für Privatanleger sei die Dividende sehr wichtig. „2022 hatten wir einen ordentlichen Batzen Geld, der zu verteilen war. Wir haben dann nicht nur eine Dividende gezahlt, sondern auch Aktienrückkäufe getätigt.“ K+S habe damals akribisch analysiert, wer von den Aktionären das eine oder das andere bevorzuge. „Es zeigte sich, dass die Privataktionäre im Topf waren, der für Dividenden stand – getreu dem Motto: Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach –, und institutionelle Investoren im Topf für Aktienrückkäufe“, fasst Bock zusammen. Dass Gewinnausschüttungen im Vergleich zu Rückkäufen steuerlich nachteilig sein können, spiele für Private keine so große Rolle, „den sie wollen einen regelmäßigen Rückfluss an Geld sehen“.

K+S investiert zurzeit in zwei große Projekte: Werra 2060 und den Ramp-up in Bethune; im ersten Fall soll das zu einer höheren Wettbewerbsfähigkeit des Verbundwerkes und einer Verlängerung der Lebensdauer führen, im zweiten Fall geht es vor allem um das Hochfahren der Kapazitäten. „Damit stellen wir das Unternehmen nochmal auf ein deutlich besseres Fundament“, wirbt Bock. „Wir erreichen mit Werra 2060 nicht nur ESG-Ziele (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung), sondern senken auch die dortigen Produktionskosten um 20%.“ Gerade Letzteres scheint zulasten von Nachhaltigkeit wieder wichtiger zu werden.

Rechtfertigung für Nachhaltigkeitsmaßnahmen

„In den vergangenen beiden Jahren hatte Sustainability für Investoren große Bedeutung“, berichtet Bock. „Doch gerade international muss man sich dafür inzwischen schon fast rechtfertigen. Würde man heute mit einem US-Investor über Werra 2060 sprechen und sich dabei nur auf Nachhaltigkeitsziele beziehen und die wirtschaftliche Komponente unterschlagen, dann wäre das schwierig“, sagt Bock. „Aktivitäten, die für mehr Nachhaltigkeit sorgen, müssen heute mit Rentabilitätsfortschritten einhergehen“, stellt sie klar.

Das häufigste Vorurteil, mit dem sich die IR schon seit langer Zeit konfrontiert sehe und das man versuche, auszuräumen, sei, dass K+S ein Produzent mit hohen Kosten in Deutschland sei. „Zu meinen Aufgaben gehört es, deutlich zu machen, dass wir am Tor des Kunden sehr wohl wettbewerbsfähig sind“, sagt Bock. „Das liegt daran, dass wir um unseren Schornstein herum verkaufen und eine sehr attraktive Logistik haben. Denn wenn sie bei der Logistik sparen – und das sind bedeutsame Beträge –, können sie sich ein Stück weit höhere Produktionskosten leisten.“

Ein anderer Themenkreis, der in früheren Jahren nicht nur Fragen an das IR-Team, sondern sogar für Klagen gegen K+S vor Gericht sorgte, scheint dagegen völlig in den Hintergrund getreten zu sein: Umwelt- und Naturschutz. „Das ist inzwischen vernachlässigbar“, sagt Bock mit Bezug auf Gerichtsverfahren.

„Unser Vorstandschef Burkhard Lohr hat es sich von Beginn an (er ist seit Mai 2017 CEO von K+S; die Red.) auf die Fahnen geschrieben, einen Umweltfrieden herzustellen und viel auf dieser Seite zu tun, auch um negative Einflüsse auf das Geschäft wie Produktionsdrosselungen zu verhindern.“ Damit war Lohr ziemlich erfolgreich. Sein Vorgänger Norbert Steiner galt nicht nur in dieser Hinsicht als wenig verhandlungs- und kompromissbereit.

Abstimmung mit dem CEO

Konzernchef Lohr ist es auch, mit dem Bock die Inhalte ihrer Arbeit in erster Linie abstimmt. Kommunikation und damit auch IR seien bei K+S traditionell beim CEO aufgehängt. Der Finanzvorstand und themenabhängig auch die anderen Vorstandsmitglieder werden ebenfalls in die Inhalte einbezogen. Bocks disziplinarischer Vorgesetzter ist allerdings Oliver Morgenthal, der Leiter des Bereichs Corporate Communications.

Das IR-Team von K+S besteht aus drei Personen: neben Bock noch Nathalie Frost und Esther Beuermann. „Mir ist es wichtig, dass jeder alles macht“, betont die Team-Leiterin. „Es gibt keinen, der z.B. nur die Hauptversammlung organisiert, nur die Geschäftsberichte betreut, nur für Privataktionäre oder nur für die Analysten A bis J zuständig ist. Stattdessen wird kräftig durchrotiert.“

Abhängigkeit von Banken als Vermittler zu Investoren sinkt

Rückblickend – Bock ist seit rund 15 Jahren mit IR befasst – habe es Veränderungen in der IR-Arbeit gegeben, zum Teil wesentliche. „Berichterstattung hat in allen Belangen – nicht nur in Bezug auf Nachhaltigkeit, aber da ganz besonders – über die Jahre stark zugenommen“, sagt sie. Diese Aussage war erwartbar; die nächste nicht: „Als ich in der IR angefangen habe, gab es vielleicht 15 Banken, deren Analysten K+S gecovert haben. Die haben letztendlich auch bestimmt, mit wem wir sprechen, was am Ende dazu führte, dass die auch über unser Aktionariat bestimmt haben. Viele unterschiedliche Entwicklungen – etwa MiFID II (eine EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Finanzmärkte im europäischen Binnenmarkt; die Red.) – haben seither dazu geführt, dass Investorenkontakte nicht mehr nur über die Research-Häuser zustande kommen. Dieses Investor Targeting hat sich also schon deutlich verändert.“ IR-Erfahrung und ein gutes Netzwerk seien heute wichtige Bausteine, um das Interesse von Investoren zu wecken, fügt Bock hinzu.

Im Kerngebiet von K+S geboren

Bock wurde die Arbeit für K+S quasi in die Wiege gelegt. Sie kam im nordosthessischen Bad Hersfeld zur Welt. Dort – im strukturschwachen Städtedreieck mit Bad Salzungen und Eisenach – ist K+S ein wichtiger Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb.

Nach ihrem Studium zum Bachelor of Business Administration an der Frankfurt School of Finance & Management und ihrem Volontariat bei der Commerzbank – „Ich hatte auch Interesse an der Firmenkundenbetreuung in einer Bank, aber das hat sich nicht ergeben“ – begann Bock 2006 ihre Tätigkeit in der IR-Abteilung von K+S. Seit 2010 hält sie den Titel Chartered Financial Analyst, der im Bereich Investment Management vom CFA Institute in Virginia, USA, nach Bestehen von drei Examen vergeben wird.

Umtriebig auch außerhalb der IR-Arbeit

Bock ist verheiratet und hat zwei Söhne (6 und 11 Jahre alt). „Die Familie ist mir sehr wichtig“, sagt sie. Zu ihren Leidenschaften gehören Fernreisen. In den vergangenen drei Jahren habe man zusammen in Sri Lanka, auf den Philippinen und in Thailand Urlaub gemacht. „Das ist mit kleinen Kindern eine Herausforderung, aber diese bunte Welt zu entdecken, war für uns alle ein besonderes Erlebnis.“

Obwohl Arbeit und Familie viel Zeit in Anspruch nehmen, ist Bock auch ehrenamtlich tätig. So organisiert sie seit vielen Jahren die Kinder- und Jugendarbeit in der evangelischen Kirchengemeinde Großenritte-Altenritte, südwestlich von Kassel. In diesen Tagen ist sie u.a. mit Krippenspielproben beschäftigt. Zudem begleitet sie seit März 2022 eine ukrainische Flüchtlingsfamilie bei Behördengängen. „Ohne eine deutschsprachige Hilfe hätten die keine Chance, mit und in den Behörden irgendwie klarzukommen.“

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