Industrie-Ikone Ratan Tata gestorben
Ratan Tata gestorben
Der indische Industrielle Ratan Tata, der den traditionsreichen Mischkonzern seiner Familie innerhalb von 22 Jahren in ein globales Imperium verwandelte, ist im Alter von 86 Jahren gestorben. Von 1991 bis 2012 steuerte er das rasante Wachstum eines der größten indischen Konglomerate. In dieser Zeit stieg der Umsatz der Gruppe um das Siebzehnfache.
Expansion nach Großbritannien
2007 kaufte Tata den britischen Stahlhersteller Corus für 12 Mrd. Dollar. 2008 folgte die Übernahme des Autobauers Jaguar Land Rover für 2,3 Mrd. Dollar. Es dauerte allerdings lange, bis sich die Investition auszahlte. Im vergangenen Jahr erzielte Jaguar Land Rover den höchsten Umsatz seit 2015. Heute steht die Tata-Gruppe in mehreren Sektoren, darunter Elektroautos und erneuerbare Energien, an der Spitze der indischen Wirtschaft.
Der Mischkonzern stellt in mehr als zwei Dutzend börsennotierten Unternehmen Produkte her, die von Kaffee und Autos bis hin zu Salz und Software reichen, betreibt Fluggesellschaften und hat Indiens erste Super-App eingeführt. „Er war ein visionärer Unternehmensführer“, würdigte ihn Indiens Premierminister Narendra Modi.
Aufstieg in der Tata-Familie
Tata wurde in die parsische Industriellenfamilie Tata geboren, in die sein Vater, ein führender Tata-Manager, adoptiert worden war. Nach einem Studium der Architektur und des Bauingenieurwesens trat er 1962 in die Gruppe ein, machte 1975 einen Management-Abschluss an der Harvard Business School und stieg 1991 zum fünften CEO auf. Tata übernahm die Gruppe als der „Nehru-Sozialismus“ endete. Bis dahin hatte sich Indien vom Ausland abgeschottet und der Staat finanzierte sich fast ausschließlich über Zölle. Tata erkannte die Chance der wirtschaftlichen Öffnung, die vom damaligen Finanzminister und späteren Premier Manmohan Singh vorangetrieben wurde.
Unter der Führung von Tata diversifizierte sich die Industriegruppe, die bisher Stahl, Lastwagen und Chemikalien herstellte, in Kleinwagen und Informationstechnologie und expandierte ins Ausland. Heute macht der IT-Berater Tata Consultancy Services den größten Teil des Unternehmenswerts aus. Auf Drängen der Regierung bauen die Tatas gerade drei Halbleiterfabriken und einen Chip-Test- und Montagekomplex.
„Elder Statesman“ in Indien
Der Konzernname ist in Indien allgegenwärtig – von Teebeuteln über Lastwagen und Busse bis zu Hotels. Das Gesicht des Patriarchen dieser Industriegruppe kennt praktisch jeder Inder. Vor 15 Jahren lancierte Tata den Nano, mit damals 2.500 Dollar das günstigste Auto der Welt. Der Nano wurde zwar kein Verkaufsschlager, aber Tata erwarb sich Respekt, weil er an die untere Mittelschicht gedacht hatte. Als Tata den von Modi geführten Bundesstaat Gujarat als Standort für eine neue Autofabrik wühlte, wertete dies daher den heutigen Premier auf.
Bei der Auswahl seines Nachfolgers hatte Tata jedoch keine gute Hand. Cyrus Mistry, ein angeheirateter Verwandter, wurde nach vier Jahren entlassen. Es folgte ein fünfjähriger Rechtsstreit. Dennoch wurde Tata als „Elder Statesman“ verehrt, weil er ungeachtet seiner Vorliebe für Privatflugzeuge und Sportwagen anders als Neureiche wie Reliance Industries-Chef Mukesh Ambani einen eher bescheidenen Lebensstil pflegte.