Chiphersteller in der Krise

Intel-Chef Pat Gelsinger stemmt sich gegen den Kursverfall

Von Pat Gelsingers einst hoch fliegenden Zielen für Intel ist wenig übrig geblieben. Nun versucht der CEO, die Aktie des gebeutelten Chipkonzerns durch eigene Zukäufe zu stützen.

Intel-Chef Pat Gelsinger stemmt sich gegen den Kursverfall

Intel-Chef Pat Gelsinger stemmt sich gegen den Kursverfall

Von Alex Wehnert, New York

Pat Gelsinger muss sich dieser Tage in Zweckoptimismus üben. Anfang August hat der CEO von Intel am Markt Aktien des Chipherstellers aufgekauft, die sich zu diesem Zeitpunkt im freien Fall befanden – und versuchte damit einmal mehr, seine Zuversicht für das im Wettrennen um die Vormachtstellung bei generativer künstlicher Intelligenz (KI) abgehängte Unternehmen zum Ausdruck zu bringen. Am 2. August stürzten die Anteilscheine von Intel um 26% ab, nachdem der Konzern für das abgelaufene Quartal einen Verlust von 1,61 Mrd. Dollar vermeldet und eine Aussetzung der Dividende ab dem vierten Quartal sowie Massenentlassungen angekündigt hatte.

Aktienkäufe im großen Stil

Der CEO erwarb daraufhin am 5. August über einen Familientrust 12.500 Intel-Aktien zu durchschnittlich 20,16 Dollar, wie aus bei der Börsenaufsicht SEC eingereichten Dokumenten hervorgeht. In dem Vehikel hielt Gelsinger zuletzt 37.975 Anteile des Chipkonzerns, hinzu kamen 38.416 Papiere aus einem persönlichen Depot und 554.916 in anderen Trusts. Denn der 63-Jährige hat sich in seinen drei Jahren an der Vorstandsspitze wiederholt persönlich gegen einen zunehmend rapideren Kursverfall aufgelehnt.

Nun steht er wohl vor seiner schwersten Herausforderung. Denn Intel gilt als großer Verlierer des KI-Booms, der Konkurrentin Nvidia in den vergangenen beiden Jahren gewaltige Kursexplosionen und einen Aufstieg unter die wertvollsten Unternehmen der Welt beschert hat. Die Grafikprozessoren der einst auf den Videospielmarkt fokussierten Wettbewerberin gelten als wichtigste technologische Grundlage für das Training großer Sprachmodelle, auf denen Textgeneratoren wie der populäre ChatGPT-Bot von OpenAI basieren.

Tech-Riesen setzen auf eigene Chips

Zudem setzen Amerikas Technologieriesen, die Halbleiter für ihre Serverfarmen in früheren Jahren fast exklusiv von Intel und Advanced Micro Devices (AMD) bezogen, zunehmend auf eigene, in Kooperation mit spezialisierten Designern entwickelte Chips. So kündigte Alphabet im April den neuen Hochleistungsprozessor Axion an, der auf Technologie der britischen, an der Nasdaq gelisteten Arm aufsetzt und zu großen Datenanalysen fähig sein soll. Auch Amazon hat mit ihrer Tochter Web Services eigene Halbleiter entwickelt, die im Rahmen einer Kooperation mit dem Start-up Anthropic zum Einsatz kommen. 

„Gewaltiges“ Projekt

Gelsinger räumte im Rahmen der jüngsten Zahlenvorlage ein, der KI-Boom sei „weitaus stärker akut, als ich erwartet hatte“. Zugleich versuchte er Optimismus zu verbreiten: Der Wiederaufbau der Kultmarke Intel sei ein „gewaltiges“ Projekt, das nun aber „in die nächste Phase“ gehe. Der Stellenabbau um 15.000 Arbeitsplätze, der ab dem kommenden Jahr zu Einsparungen von 10 Mrd. Dollar beitragen soll, sei eine der härtesten Entscheidungen seiner Karriere gewesen, schrieb der CEO an Mitarbeiter. Für Gelsinger, betonen Wegbegleiter, sei ein Umbruch bei Intel mehr als eine unternehmerische Aufgabe – er sehe es als persönliches Ziel, den einst dominanten Chipkonzern wieder zu altem Glanz zu führen.

Der im Bundesstaat Pennsylvania geborene Technologiefan schloss sich dem Unternehmen 1979 im Alter von 18 Jahren an. In der Tasche hatte er damals bereits einen Abschluss der Hochschule Lincoln Tech in New Jersey, nachdem er sich mit 16 Jahren durch starke Testresultate für ein Früh-Stipendium qualifiziert hatte. In den 1980er Jahren machte er sich als Architekt von Hochleistungsprozessoren einen Namen und schloss ein Masterstudium des Elektroingenieurwesens und der Computerwissenschaften an der kalifornischen Renommieruniversität Stanford ab. Dabei galt er als Zögling des legendären CEO Andy Grove.

Rückkehr nach zwölf Jahren

Im Jahr 2001 wurde Gelsinger zum ersten Chief Technology Officer, musste 2009 jedoch nach Fehlschlägen mit einem Grafikchip-Projekt seinen Hut nehmen. Nach Stationen bei dem später von Dell aufgekauften Festplatten- und Software-Entwickler EMC und als CEO bei dem inzwischen von Broadcom übernommenen Cloud-Computing-Anbieter VMWare kehrte er 2021 als Vorstandschef zu Intel zurück – die „größte Ehre meiner Karriere“, betonte der Manager.

Gelsinger kündigte an, binnen fünf Jahren zur taiwanesischen TSMC und zur koreanischen Samsung aufschließen und groß in neue Fabriken investieren zu wollen. Die hohe Nachfrage nach Computerchips während der Pandemie verschaffte ihm dabei einen guten Start – übrig geblieben ist davon nur Zweckoptimismus.

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