Jack Ma kokettiert mit der Privatier-Rolle
Von Norbert Hellmann, SchanghaiDas Alter von 55 Jahren verbinden viele Chinesen mit Ruhestandsgedanken. Es markiert den Renteneintritt für Frauen sowie für Männer in Berufsgruppen, die mit körperlicher Arbeit verbunden sind. Chinas Vorzeige-Tech-Entrepreneur und Chef des E-Commerce-Riesen Alibaba feiert am 10. September seinen 54. Geburtstag und macht sich, obwohl er ein reiner Kopfarbeiter ist, anscheinend ebenfalls Gedanken über einen Abschied aus dem Beruf.In einem Interview mit Bloomberg hat der Alibaba-Gründer und gegenwärtig reichste Mann in Asien zarte Andeutungen gemacht, dass er von seiner Rolle als Chairman von Alibaba demnächst stärker Abstand nehmen könnte, um sich mit einer neuen Stiftung stärker philantropischen Tätigkeiten und dem Erziehungswesen zu widmen.Ma erklärt eher kryptisch, dass er sich vorstellen kann, in eine Art Lehrtätigkeit zurückzukehren. Er glaube darin besser zu sein als in einer Lenkerrolle für Alibaba. Dazu muss man wissen, dass sich Ma vor der Gründung von Alibaba 1999 eine Zeit lang auch als Englischlehrer verdingt hatte. Nun ist nicht zu erwarten, dass er sich als Sprachlehrer sieht, vielmehr geht es ihm wohl darum, eine Förderrolle im Erziehungswesen als Herzensangelegenheit zu propagieren.Ma spricht immer wieder von “empowerment” der sozial schwächer Gestellten, um dem vielzitierten “kleinen Mann” auf die Sprünge zu helfen. So hat er immer wieder die besondere soziale Bedeutung von Alibaba für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Ermöglichung von wirtschaftlicher Selbständigkeit über Mini-Unternehmerexistenzen herausgestrichen. Schließlich ist Alibaba anders als der US-Rivale Amazon kein Einzelhändler im eigentlichen Sinn, sondern betreibt Online-Handelsplattformen wie Taobao, auf denen Chinesen Online-Shops einrichten und auf eigene Rechnung Geschäfte machen.Im Vergleich zum Amazon-Gründer Jeff Bezos, der kürzlich mit dem Überschreiten der Vermögensmarke von 150 Mrd. Dollar zum reichsten Mann aller Zeiten avancierte, ist Ma mit einem geschätzten Vermögen von gut 40 Mrd. Dollar ein kleiner Fisch. Aus dem Interview geht hervor, dass Ma eher den von Bezos klar überholten Microsoft-Gründer Bill Gates als Messlatte sieht. Und zwar nicht in Sachen Vermögensmehrung, sondern beim Wechsel vom erfolgreichen Tech-Unternehmer zum “hauptberuflichen” Philantropen, für den sich Gates mit seiner Foundation verbürgt. Lernen von Bill GatesDabei erklärt Ma, dass es viele Dinge gebe, die er von Gates lernen könne. Er werde zwar nicht so reich werden wie dieser, aber er könne ihn vielleicht darin übertrumpfen, noch früher zu beginnen, sich aus der Unternehmerlaufbahn zurückzuziehen und sich wohltätigen Zwecken zu widmen. Er deutet an, dass eine Stiftung, die seinen Namen tragen wird, weit fortgeschritten in der Mache sei. Daran arbeite er bereits seit zehn Jahren.Trotz des Kokettierens mit Philantropen müssen Investoren kaum befürchten, dass Ma sich tatsächlich rasch von einer prägenden Rolle bei Alibaba zurückziehen will. Schließlich gibt es einen Präzedenzfall, nachdem Ma bereits vor fünf Jahren den Posten des Chief Executive Officer (CEO) bei Alibaba ablegte und sich auf eine Chairman-Rolle beschränkte. Seitdem ist allerdings nicht erkennbar, dass er von der Steuermannfunktion in irgendeiner Weise Abstand genommen hat, und er ist auch weiterhin das “öffentliche Gesicht” von Alibaba.Abgesehen lässt davon hat sich Ma nicht dazu geäußert, dass er die Zügel bei der von ihm kontrollierten Schwestergesellschaft Ant Financial, der führenden chinesischen Fintech-Adresse, niederzulegen gedenkt. Gerade bei Ant Financial wartet noch einige Arbeit. Denn der Zahlungssystemriese soll für einen Börsengang im Jumboformat fit gemacht werden. Nachdem der ehrgeizige Ma mit Alibaba an der New Yorker Börse das bislang weltgrößte Initial Public Offering hingelegt hat, dürfte er kaum dazu übergehen wollen, ein Ant-Financial-IPO nur aus einer Privatier-Rolle heraus zu verfolgen.