Spendenskandal als Sargnagel

Japans Regierungschef Kishida wirft das Handtuch

Japans Regierungspartei LDP wandte sich von Kishida ab, weil viele Wähler ihn für Reallohnverluste und einen Spendenskandal verantwortlich machen.

Japans Regierungschef Kishida wirft das Handtuch

Japans Regierungschef Kishida wirft das Handtuch

mf Tokio

Nach knapp drei Jahren im Amt zollt Japans Premierminister Fumio Kishida seiner großen Unbeliebtheit Tribut. Der 67-Jährige kündigte seinen Verzicht auf eine Wiederwahl als Vorsitzender der Liberaldemokratischen Partei (LDP) im September an. Dadurch macht er den Weg für einen Nachfolger an der Regierungsspitze frei, weil bei der LDP beide Posten in einer Hand liegen.

Der Wechsel geschieht in einer historischen Umbruchphase für die Inselnation. Unter Kishida verabschiedete sich Japan von seiner pazifistischen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Verteidigungsausgaben steigen bis 2027 um zwei Drittel auf 2% der Wirtschaftsleistung. Zugleich erhöhte die Zentralbank unter Führung von Gouverneur Kazuo Ueda, den Kishida im Vorjahr mit ausgewählt hatte, erstmals nach 17 Jahren die Zinsen und schürte die Hoffnung auf das endgültige Ende der Deflation und auf mehr Wachstum.

„Neues Gesicht“ notwendig

Kishida begründete seinen Rückzug mit dem Spendenskandal in der LDP-Fraktion im Parlament. Viele Abgeordnete hatten mit Hilfe eines ausgeklügelten Systems Spendengelder an der Steuer vorbei in schwarze Kassen umgeleitet. „Es ist wichtig, der LDP ein neues Gesicht an der Spitze zu geben“, erklärte Kishida in Tokio. „Die LDP muss beweisen, dass sie sich ändert und der offenkundigste Schritt dafür ist, dass ich zurücktrete.“

Zwar hatte der Premier noch versucht, sich am eigenen Schopf aus dem Spendensumpf zu ziehen. Er löste die internen Machtgruppen der Fraktion auf und setzte eine Verschärfung des Spendengesetzes durch. Mehrere Minister traten zurück. Aber Umfragen zufolge zweifelten die Wähler an seinem Reformwillen, da auch Abgeordnete in der Kishida selbst geführten Gruppe bei dem System mitgemacht hatten. Viele Japaner machen den Premier auch für die hohe Inflation mitverantwortlich, die teilweise über den schwachen Yen geschürt wurde. Seit über zwei Jahren hinken die Löhne den Preissteigerungen hinterher, dadurch sank der Lebensstandard vieler Menschen.

Nachfolgerennen weit offen

Kishida konnte sich nur deswegen so lange im Amt halten, weil die parlamentarische Opposition schwach blieb und es keine nationale Wahl gab. Aber schließlich wendete sich das Blatt gegen ihn: Die Opposition wurde stärker, die LDP verlor in den vergangenen Monaten wichtige Nachwahlen. Viele LDP-Abgeordnete fürchteten eine Niederlage bei der Neuwahl des Unterhauses, die bis Oktober 2025 stattfinden muss. Sein Vorgänger als Regierungschef, Yoshihide Suga, drängte Kishida öffentlich zum Rückzug. Für seine Nachfolge als Parteichef und Premier zeichnet sich kein klarer Favorit ab. An Japans Finanz- und Wirtschaftspolitik dürfte sich aber wenig ändern, weil es dafür in der LDP einen Konsens gibt.

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