Chipkonzern

Jochen Hanebeck auf Rekordkurs mit Infineon

Jochen Hanebeck wird zur Bilanzvorlage von Infineon am 15. November eine Prognose für 2023 abgeben. Ein Porträt des seit über sechs Monaten amtierenden CEO des größten deutschen Chipkonzerns.

Jochen Hanebeck auf Rekordkurs mit Infineon

Von Stefan Kroneck, München

In Krisenzeiten gehören Mut, Entschlossenheit und Entscheidungssicherheit zu jenen Tugenden, die gute Unternehmenslenker auszeichnen. Nach turbulenten Anfangsjahren im Management von Infineon ist der seit über einem halben Jahr amtierende Jochen Hanebeck der dritte CEO in Folge, der bei Deutschlands größtem Halbleiterhersteller in diese Kategorie fällt. Während Peter Bauer (2008 bis September 2012) das weiß-blaue Dax-Mitglied der Schlüsseltechnologie nach einer überwundenen Existenzkrise vor 13 Jahren ins Lot brachte, dessen Nachfolger Reinhard Ploss (Oktober 2012 bis März 2022) mit strategischer Weitsicht konsequent einen Internationalisierungskurs mit Übernahmen in den USA einleitete, stellt Hanebeck nunmehr die Weichen für nachhaltiges Wachstum in den Kerngeschäftsfeldern.

Der 1968 in Dortmund geborene Elektrotechnikingenieur setzt dabei den Expansionskurs seines Amtsvorgängers weitgehend fort, wenngleich das angesichts des Ukraine-Kriegs, einer anhaltenden Corona-Pandemie und einer galoppierenden Inflation bei zugleich angespannten Lieferketten für den Topmanager kein Honigschlecken ist. Statt aufgrund eines deutlich schwieriger gewordenen Umfelds kräftig an der Kostenschraube zu drehen und zum Beispiel Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sowie Investitionen aufgrund einer drohenden Rezession drastisch zu kürzen, macht Hanebeck faktisch das Gegenteil: Das Budget des Konzerns für Zukunftstechnologien, für effizientere Fertigungsanlagen und für den Ausbau von Produktionskapazitäten bleibt auf hohem Niveau.

Stabile Geschäftslage

Der CEO von Infineon denkt nicht in Quartalen, sondern in Dekaden. Das sich abzeichnende Tief in der Weltwirtschaft ist für Hanebeck kein Grund, in Panik zu verfallen. Denn das Geschäftsmodell von Infineon hat sich auch unter seiner Ägide als äußerst robust erwiesen. Die Bilanzstruktur ist stabil. Die Auftragsbücher sind dank einer nach wie vor hohen Nachfrage nach Leistungschips voll. Infineon, weltweit die Nummer 9 in der frühzyklischen Branche, profitiert von dem steigenden Bedarf der Autohersteller, der Energiewirtschaft und der IT-Branche nach elektronischen Bauelementen. Infineon gehört zu den Chip-Vollsortimentern im Premiumsegment. Die Preise für das knappe Gut Leistungshalbleiter sind gestiegen. Der starke Dollar sorgt zusätzlich für Rückenwind. Seit seiner Amtsübernahme Anfang April hat Hanebeck bereits zweimal in Folge den Ausblick für das am 30. September zu Ende gegangene Geschäftsjahr 2022 erhöht. Infineon hat operativ einen guten Lauf, das Unternehmen befindet sich auf Rekordkurs in Bezug auf den Umsatz und auf die Profitabilität. Das spiegelt sich allerdings nicht im Aktienkurs der seit März 2000 börsennotierten Firma wider. Seit Jahresbeginn büßte der Titel der früheren Siemens-Abspaltung zwei Fünftel an Wert ein. Am Dienstag notierte das Papier zeitweise bei 23,90 Euro. Das bisherige Allzeithoch erreichte der Anteilschein vor fast einem Jahr bei nahezu 44 Euro. Die wachsende Verunsicherung der Anleger hat weltweit Technologiewerte deutlich getroffen.

Mit ruhiger Hand

Hanebeck lässt sich von der derzeit hohen Volatilität der Gemütslagen vieler Investoren aber nicht anstecken. Am 15. November wird er zur Bilanzvorlage auch eine Prognose zum Geschäftsjahr 2023 abgeben. Nach Ansicht von Analysten wird der Konzernumsatz in der gerade angelaufenen Zwölf-Monats-Berichtsperiode um etwas über 6% auf 14,9 Mrd. Euro zulegen. Das impliziert nachlassende Dynamik. Das operative Ergebnis (Segmentergebnis) wird nach deren Schätzungen bei rund 3,3 Mrd. Euro stagnieren. Die Marge schwächt sich demnach auf 22% ab – 1,6 Prozentpunkte weniger als für 2022 prognostiziert. Die Krise(n) dürfte(n) also Spuren hinterlassen, aber in einem überschaubaren Ausmaß, wenn man an­dere Wirtschaftszweige und Unternehmen zum Vergleich heranzieht. Infineon wird daher in der Spur bleiben.

Das ist Hanebecks Verdienst, der wie Ploss den Konzern nach außen betrachtet mit ruhiger Hand führt. Showattitüden sind ihm wesensfremd. Eine überdrehte Selbstdarstellung gehört nicht zu seinen Merkmalen. Damit ähnelt der hochgewachsene Hanebeck seinem erfolgreichen Amtsvorgänger, der mit 66 Jahren von der Bühne abtrat. Wie Ploss ist Hanebeck ein Eigengewächs von Infineon. Seit 28 Jahren arbeitet er für das Unternehmen. Seit 2016 gehört er dem Vorstand an. Vor seinem Aufstieg zum CEO war Hanebeck – ebenso wie einst Ploss – im obersten Führungsorgan für das Ressort Produktion zuständig. Sein Vertrag läuft noch bis Ende März 2027.

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