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Joe Kaeser wehrt sich gegen Populismus

Von Joachim Herr, München Börsen-Zeitung, 11.7.2018 Joe Kaeser (61) vertritt an erster Stelle die Interessen seines Unternehmens. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit für einen Vorstandsvorsitzenden, aber nicht unbedingt für den Konzernchef von...

Joe Kaeser wehrt sich gegen Populismus

Von Joachim Herr, München Joe Kaeser (61) vertritt an erster Stelle die Interessen seines Unternehmens. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit für einen Vorstandsvorsitzenden, aber nicht unbedingt für den Konzernchef von Siemens. Immer wieder gibt er seinem starken Drang zu politischen Äußerungen nach. Schmeichelt er dagegen wie vor einem halben Jahr in irritierender Weise US-Präsident Donald Trump, rechtfertigt Kaeser dies mit Taktik, um der Bedeutung des Geschäfts in den USA gerecht zu werden. Das hinderte ihn vor einem Monat in Peking jedoch nicht daran, harsche Worte für Trumps Handelspolitik zu finden. In China kam das ohne Zweifel gut an.In beiden Fällen bewies Kaeser sprachliches und diplomatisches Geschick im Dienst von Siemens. Das war aber auch schon einmal anders: Vor gut vier Jahren hatte er ein Treffen mit Präsident Wladimir Putin verteidigt und den Krieg auf der Krim sowie die Sanktionen gegen Russland als “kurzfristige Turbulenzen” abgetan. Familie angefeindet Im Fall der AfD befürchtet Kaeser mehr als ein kurzfristiges Phänomen. Er hält es deshalb für notwendig, den Anfängen zu wehren: “Wir dürfen das Feld der Öffentlichkeit nicht populistischen und nationalistischen Kreisen überlassen”, verlangte er jetzt als Gastredner auf dem Sommerempfang des Clubs Wirtschaftspresse München.Und Kaeser erzählte, welchen Anfeindungen er und seine Familie ausgesetzt waren, nachdem er Mitte Mai per Twitter auf fremdenfeindliche Aussagen von Alice Weidel, der Fraktionsvorsitzenden der Partei mit dem starken Rechtsdrall, reagiert hatte. “Lieber Kopftuch-Mädel als Bund Deutscher Mädel. Frau Weidel schadet mit ihrem Nationalismus dem Ansehen unseres Landes in der Welt”, lautete Kaesers Botschaft. Der Mut des Siemens-Chefs verdient Respekt. Nachahmer findet er in der Riege der Unternehmenslenker kaum. Kaesers Werben für eine gemeinsame Stellungnahme zu politischen und gesellschaftlichen Themen verhallte in deutschen Chefetagen. Mehr als Verständnis für sein Anliegen gibt es offenbar nicht.Dafür zeigt wiederum Kaeser Verständnis: Hersteller von Autos oder Sportschuhen verkauften an Konsumenten. Bringe der Vorstand AfD-Wähler gegen sich auf, könne er eine große Kundengruppe verlieren. Nach den jüngsten Umfragen käme die Partei in der Bundestagswahl auf 17 %. Ein Investitionsgüterkonzern muss sich da weniger um die politische Orientierung von Verbrauchern kümmern. “Mit Turbinen habe ich das Problem nicht so”, sagte Kaeser.