Die Walldorfer SAP muss erneut den Vorstand umbauen: Technologievorstand Jürgen Müller hat eingeräumt, sich „unangemessen“ verhalten zu haben. Er verlässt den Konzern Ende September. Das Fehlverhalten könnte auch finanzielle Konsequenzen haben.  

Im Walldorfer SAP-Vorstand kehrt keine Ruhe ein. Wie der Konzern am Dienstagvormittag mitteilte, verlässt Chief Technology Officer Jürgen Müller das Unternehmen zum 30. September. Er habe sich mit dem Aufsichtsrat „einvernehmlich über sein Ausscheiden aus dem Vorstand“ zum 30. September 2024 geeinigt. Dem plötzlichen Abgang ist ein persönliches Fehlverhalten Müllers vorausgegangen, das dieser in einem Pressestatement selbst einräumt.

„Bei einer vergangenen Firmenveranstaltung kam es zu einem Ereignis, bei dem ich mich unangemessen verhalten habe. Ich bedauere, dass ich unüberlegt gehandelt habe und entschuldige mich aufrichtig bei allen involvierten Personen“, heißt es darin. Details zu dem Vorfall und der Aufarbeitung teilte SAP auf Nachfrage nicht mit. Üblicherweise wird bei Beschwerden oder Compliance-Vorwürfen gegen Führungspersonen eine Kanzlei beauftragt, um die Vorfälle im Auftrag des Unternehmens aufzuklären.

Müller war seit 2013 bei SAP und stieg 2019 in den Vorstand auf. Der 1982 geborene Wirtschaftsinformatiker hatte seinen Vertrag erst kürzlich bis 2027 verlängert. Er sagt in dem Statement, er habe „erkannt, dass mein Verhalten in diesem Moment nicht unsere Werte bei SAP widergespiegelt hat. Ich übernehme die volle Verantwortung und denke, dass mein Rücktritt das Beste für das Unternehmen ist. Dem Team wünsche ich weiterhin viel Erfolg.“

Für den Technologievorstand könnte der Fehltritt auch finanzielle Konsequenzen haben. Dem Vergütungsbericht zufolge besteht kein Abfindungsanspruch „sofern die Vorstandsmitglieder das Ausscheiden aus den Diensten der SAP SE zu vertreten haben“. Diese Regelung könnte in diesem Fall zur Anwendung kommen. Außerdem sieht das Vergütungssystem für Vorstände bei SAP eine Sonderregelung vor, wenn eine Bestellung zum Vorstand aus einem wichtigen Grund widerrufen wird, den das Vorstandsmitglied selbst zu vertreten hat. In solchen Fällen „kann der Aufsichtsrat nach billigem Ermessen entscheiden, dass Ansprüche auf oder aus variablen Vergütungskomponenten für das betreffende Geschäftsjahr entfallen“.

Für SAP bedeutet der Umbau einen harten Einschnitt in einem wichtigen Konzernbereich. Müller war in den vergangenen Jahren im Vorstand für die Bereiche Technologie & Innovation verantwortlich und betreute strategische Kernthemen des Konzerns. So hat er in den vergangenen Jahren die SAP Business Technology Plattform (BTP) betreut und war mitverantwortlich dafür, SAP auf beschleunigtes Wachstum in der Cloud vorzubereiten. Er verantwortete Architekturentscheidungen und Innovationen im gesamten Unternehmen und war für die globale Sicherheit und Cloud Compliance zuständig. Zur Etablierung der BTP, die heute bei 23.000 Kunden im Einsatz ist, habe er „maßgeblich“ beigetragen, betont SAP in einem Statement.

Trotz des unerwarteten Abgangs gibt es zum Abschied anerkennende Worte: „Wir danken Jürgen Müller für seine signifikanten Leistungen und wünschen ihm alles Gute für seine weitere Zukunft,“ sagte Pekka Ala-Pietilä, Vorsitzender des Aufsichtsrats bei SAP. Interimistisch soll Michael Ameling, Executive Vice President and Chief Product Officer für die SAP BTP, weite Teile von Müllers Aufgaben übernehmen und an CEO Christian Klein berichten. Klein wird übergangsweise die Verantwortung für den größten Teil des Vorstandsbereichs Technologie und Innovation übernehmen, bis eine dauerhafte Nachfolgeregelung steht.

Für den Bereich Global Security & Cloud Compliance, zu dem auch Themen wie Cybersicherheit gehören, gibt es bereits eine Dauerlösung. Dieses Team wird dem Vorstandsbereich Customer Services & Delivery zugeteilt, den Thomas Saueressig leitet.

SAP hatte erst Ende Juli einen strukturellen Umbau angekündigt, der das Ausscheiden von Vertriebschef Scott Russell und Marketing-Vorständin Julia White zur Folge hatte. Beide hatten ihre Verträge erst im Jahr zuvor verlängert.