Kanzler Kurz tritt zurück
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist wenige Tage nach dem Bekanntwerden von Korruptionsvorwürfen gegen ihn zurückgetreten. Das Kanzleramt solle nach seinem Vorschlag der derzeitige Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) übernehmen, sagte Kurz am Samstag in Wien. Der Koalitionspartner, die Grünen, begrüßten den Rückzug und kündigten eine Fortführung der Regierungsarbeit mit der konservativen Volkspartei ein. Ein neuer Kanzler muss gemäß Verfassung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen vereidigt werden.
Kurz kündigte an, er bleibe ÖVP-Chef und werde zudem die Fraktion im Parlament anführen. „Was es jetzt braucht, sind stabile Verhältnisse. Ich möchte daher, um die Pattsituation aufzulösen, Platz machen, um Chaos zu verhindern und Stabilität zu gewährleisten“, sagte Kurz, der einst als „Wunderkind“ der europäischen Konservativen gegolten hatte.
Österreichs Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler bezeichnete den Rücktritt als richtig. „Sebastian Kurz hat mir seinen Rücktritt als Bundeskanzler mitgeteilt und ich halte das angesichts der aktuellen Situation für den richtigen Schritt für eine zukünftige Regierungsarbeit in der Verantwortung für Österreich und das Ansehen Österreichs im Ausland“, teilte Kogler mit. Die Regierungsarbeit mit der ÖVP könne nun fortgeführt werden. Die Zusammenarbeit mit Schallenberg sei bisher sehr konstruktiv gewesen, sagte Kogler. Am Sonntag trifft er zu einem ersten Austausch mit Schallenberg zusammen.
Der 52-Jährige Schallenberg ist Jurist und trat 1997 ins Außenministerium ein. Er war viele Jahre im Ausland tätig und leitete etwa die Rechtsabteilung der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU in Brüssel. Zudem war er Pressesprecher der früheren Außenministerin Ursula Plassnik sowie von deren Nachfolger Michael Spindelegger. Das Amt des Außenministers hatte er schon in einer vorübergehenden Beamtenregierung ab Juni 2019 nach dem Ibiza-Skandal inne. Nach Neuwahlen wurde er im Januar 2020 erneut Außenminister.
Die Regierungskrise des Landes scheint damit zumindest vorerst beendet zu sein. Von der Opposition kommen scharfe Worte. „Es ist das eingetreten, was ich gesagt habe, die ÖVP wird Kurz als Kanzler opfern, um weiter in der Regierung bleiben zu können“, sagte die Chefin der größten Oppositionspartei, der Sozialdemokraten (SPÖ), Pamela Rendi-Wagner. „Nach 35 Jahren gibt die ÖVP diese Machtposition nicht wegen Kurz auf.“ Als Vorsitzender der ÖVP werde Kurz im Hintergrund weiter die Fäden ziehen, sagte Rendi-Wagner. „Er ist zwar nicht mehr Bundeskanzler, aber Schattenkanzler der Republik Österreich.“
Auslöser der jüngsten Regierungskrise war eine Razzia im Kanzleramt, der ÖVP-Parteizentrale sowie im Finanzministerium vor wenigen Tagen. Diese war eingeleitet worden von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die gegen Kurz wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Auch enge Mitarbeiter und Berater von Kurz sind im Visier der Justiz. Die Vorwürfe reichen zurück bis ins Jahr 2016, als Kurz noch Außenminister war. Laut Staatsanwaltschaft sollen mit Geldern des Finanzministeriums Umfragen bezahlt worden sein, die Kurz in einem günstigen Licht erscheinen ließen. Die Behörde vermutet zudem, dass ein österreichisches Boulevardmedium Inserate als Gegenleistung für eine positive Berichterstattung über Kurz erhalten habe. Gegen Kurz laufen zudem weitere Ermittlungen wegen mutmaßlicher Falschaussage in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Anklage gab es bisher keine. Kurz wies ein Fehlverhalten erneut zurück. “Die Vorwürfe sind falsch und ich werde das auch aufklären können”, sagte er.
Die Grünen hatten ihm, nachdem die Ermittlungen publik wurden, die Amtsfähigkeit abgesprochen und die ÖVP aufgefordert, eine „untadelige Person“ zu finden, die dieses Amt ausführen kann. Zudem wurden von den Grünen Gespräche mit der Opposition – neben der SPÖ die rechtspopulistische FPÖ und die liberalen Neos – geführt, um Alternativen zur Kurz-Koalition auszuloten. Die Opposition hatte geschlossen den Rücktritt von Kurz gefordert und wollte am Dienstag bei einer Sondersitzung des Parlaments einen Misstrauensantrag gegen ihn einbringen.