Bankchef Rickenbacher tritt ab

Katharsis mit Julius Bär nach Signa-Debakel

Julius Bär unterzieht sich einer Selbstreinigung. Fehlbeurteilungen der Kreditwürdigkeit von René Benko und dessen Immobilienimperium haben die Bank fast 600 Mill. sfr gekostet. Der CEO nimmt seinen Hut.

Katharsis mit Julius Bär nach Signa-Debakel

Katharsis mit Julius Bär nach Signa-Debakel

Von Daniel Zulauf, Zürich

Für das, was die Bank Julius Bär am Donnerstag anlässlich der Vorlage der Jahreszahlen vorgeführt hat, gibt es den Begriff „Katharsis“. In der antiken griechischen Tragödie hat der inszenierte Fall eines auf den falschen Weg geratenen Helden nicht nur eine reinigende Wirkung auf die Protagonisten, sondern auch auf die Zuschauer. Mal sehen, ob es so weit kommt.

Unmissverständlich klar machten der zurückgetretene CEO Philipp Rickenbacher und dessen Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher in einer Telefonkonferenz, dass das Benko-Moment für Julius Bär ein Wendepunkt sein müsse. Der Konzern gab der Unternehmensgruppe Signa des Geschäftsmanns René Benko bekanntlich viel Geld.

Rücktritt als „Beitrag zum lösungsorientierten Vorgehen“

Der 52-jährige Konzernlenker Rickenbacher, der im Herbst 2019 nach einer 15-jährigen Karriere bei der Bank an deren Spitze gelangte, stellte seinen Rücktritt als persönlichen „Beitrag zum lösungsorientierten Vorgehen“ des Instituts dar. Die erwartete und nun bestätigte Rückabwicklung des 1,5 Mrd. sfr großen Private-Debt-Geschäftes, das Rickenbacher selbst aufbauen ließ, habe dessen „uneingeschränkte Unterstützung“. Aus dem Kreditbuch ergingen die Darlehen an Benko und dessen intransparentes Signa-Firmengeflecht im Wert von 586 Mill. sfr. Die Bank schrieb diese Summe ab.

Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher, hier auf einer Konferenz im Jahr 2017, will sich im Frühjahr einer Wiederwahl bei Julius Bär stellen. Quelle: Michele Limina/Bloomberg

Lacher äußerte „tiefes Bedauern“ über den folgenschweren Kreditvorfall, und selbst eine Entschuldigung an die Mitarbeitenden und die Aktionäre kam dem erfahrenen Banker über die Lippen. Reue steht dem Präsidenten des Aufsichtsgremiums gut an. Immerhin scheint die rückblickend offensichtlich fahrlässige Beurteilung der Kreditwürdigkeit von René Benkos Immobilienimperium auch im Verwaltungsrat kein einmaliger Misstritt gewesen zu sein. Benko hatte sich von Julius Bär dreimal Geld geborgt – in Tranchen von gleicher Größe.

Verzicht an der Spitze

„Der Verwaltungsrat wird sich auf die Festigung einer starken Risikokultur fokussieren, die im Einklang mit unserem übergeordneten Ziel steht, unsere solide Bilanz zum Nutzen unserer Kunden mit äußerster Vorsicht einzusetzen“, versprach Lacher. Verwaltungsrat und Geschäftsleitung hätten gemeinsam beschlossen, dass die an der Vergabe der Benko-Kredite beteiligten Personen im Management und im Verwaltungsrat auf ihre im vergangenen Jahr zugeteilten aktienbasierten Vergütungen verzichten sollen. Auch Lacher und Rickenbacher erklären sich zum Verzicht bereit.

Mit den selbstkritischen Tönen und den angekündigten Maßnahmen trifft Lacher den Geschmack seiner Aktionäre. Die Börse quittierte die News mit Kursaufschlägen von zeitweise mehr als 7%. Ein Aktionär sprach von einem „Befreiungsschlag“. Dieser lege den Blick wieder frei auf das fundamental robuste Geschäftsmodell der Bank. Ohne Kreditabschreiber hätte diese 2023 das drittbeste Ergebnis ihrer Geschichte erwirtschaftet. So aber resultierte ein Gewinn von nur 454 Mill. sfr, der aber immer noch zur Ausschüttung einer unveränderten Dividende von 2,21 sfr pro Aktie reicht.

Traditionsbank auf Chefsuche

Zur Katharsis von Julius Bär gehört die Botschaft, dass der nächste operative Chef von außen kommen soll. Ein entsprechender Suchauftrag sei bereits eingeleitet. Der CEO ad interim Nic Dreckmann scheint dafür nicht infrage zu kommen. Er ist seit bald 20 Jahren in der Bank und kam bei den fünf bisherigen Chefwechseln nie zum Zug. Rickenbacher verstand es als machtbewusster Manager offenbar, keine Personen neben sich groß werden zu lassen, die ihm in seiner Position gefährlich werden konnten.

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