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Keine Hektik bei Telefónica

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 13.5.2016 Am Vortag seiner ersten Hauptversammlung als Chef von Telefónica machte die Europäische Kommission José María Alvarez-Pallete durch ihr Verbot des Verkaufs der britischen Tochter O2 an Hutchison...

Keine Hektik bei Telefónica

Von Thilo Schäfer, MadridAm Vortag seiner ersten Hauptversammlung als Chef von Telefónica machte die Europäische Kommission José María Alvarez-Pallete durch ihr Verbot des Verkaufs der britischen Tochter O2 an Hutchison Whampoa einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Die Spanier wollten mit der Operation von 10,3 Mrd. Pfund ihre hohen Schulden abbauen. Am Donnerstag also musste sich der neue Vorsitzende und CEO, der erst Anfang April César Alierta nach 16 Jahren an der Spitze des Weltkonzerns abgelöst hatte, den besorgten Aktionären stellen, die wissen wollten, wie es nun mit der Dividendenpolitik und den Verbindlichkeiten weitergehen wird. Am Morgen kursierten Nachrichten, wonach es bereits andere Interessenten für O2 gibt, die keine Bedenken bei den Wettbewerbshütern erwecken sollten, darunter die Finanzinvestoren Apax, KKR, CVC und der Kabelbetreiber Liberty Global.Doch der 52-Jährige ließ sich in Madrid nicht zu voreiligen Schnellschüssen oder unüberlegten Ankündigungen drängen. “Wir schauen uns die Wettbewerbssituation in Großbritannien, gemeinsam mit unserem Team, erst einmal genau an”, sagte Alvarez-Pallete. An der Ausschüttung von 0,75 Euro pro Aktie werde sich nichts ändern.Der Telefónica-Vorsitzende ist ein begeisterter Langstreckenläufer. Sein Profilbild auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ist nicht umsonst ein Foto, das ihn beim Marathon in New York zeigt, und er schreibt regelmäßig Einträge über die Welt des Laufens. Dass der Madrilene und Anhänger von Real Madrid das Timing auf langer Distanz beherrscht, hat auch sein Aufstieg innerhalb von Telefónica gezeigt, wo er seit nunmehr 17 Jahren arbeitet. Alvarez-Pallete studierte Wirtschaftswissenschaften in Madrid und Brüssel. Er arbeitete zunächst bei Beratungsfirmen wie Arthur Young und wechselte mit 35 Jahren in den Aufsichtsrat des mexikanischen Baustoffgiganten Cemex. 1999 kam er zu Telefónica, die nun vollständig privatisiert wurde. Nach Anfängen in der Finanzabteilung wurde er schnell Vorsitzender von Telefónica Internacional und später Leiter der wichtigen Lateinamerika-Sparte und Mitglied des Aufsichtsrates, bevor er 2011 zum Europa-Chef bestimmt wurde.Schon ein Jahr darauf machte ihn Alierta als COO zu seiner Nummer 2, weshalb er schon bald als potenzieller Nachfolger des alternden Chairmans galt.Im April war das Ziel erreicht, und der dreifache Familienvater wurde als Nachfolger Aliertas damit betraut, die Digitalisierung von Telefónica voranzutreiben. Auf der Hauptversammlung bekräftigte er das Ziel, den Konzern in eine “Onlife Telco” zu verwandeln, einen Marktführer in der neuen Welt vernetzter Kühlschränke und selbstfahrender Autos.Technologie fasziniert ihn seit langem. Er rief 2011 Wayra ins Leben, ein Inkubator oder Gründerzentrum für Start-ups im Technologiebereich. Auf Twitter postet Alvarez-Pallete beinahe täglich Nachrichten und Links zu neuen Entwicklungen. In wirtschaftliche oder politische Debatten mischt er sich dagegen nicht öffentlich ein, im Gegensatz zu Alierta. Auf der Hauptversammlung beschränkte sich Alvarez-Pallete auf die Feststellung, dass das “makroökonomische Umfeld” dort, wo Telefónica tätig sei, “positiv ist”. Dabei macht gerade besonders die politische und wirtschaftliche Situation in Brasilien, einem der wichtigsten Märkte der Spanier, Sorgen, wo Präsidentin Dilma Rousseff am Donnerstag abgesetzt wurde.Was den Abbau der hohen Schulden von 50 Mrd. Euro anbelangt, wollte sich der Vorsitzende noch nicht festlegen. “Wir prüfen gerade mehrere Möglichkeiten, darunter den Börsengang von Telxius”, sagte er in Bezug auf die neu geschaffene Sparte, in der die Infrastruktur des Konzerns gebündelt wurde. Schließlich werde auch die britische O2 nun erst einmal weiter zum Ergebnis beitragen.Der neue Mann nach 16 Jahren Alierta versuchte also im Wesentlichen Kontinuität zu vermitteln. Eine größere Umwälzung gab es derweil im Aufsichtsrat, in den vier neue Mitglieder gewählt wurden, darunter der ehemalige Vorstandschef von Siemens, Peter Löscher.