Argentinien

Kirchner kämpft ums politische Überleben

Kein Wort. Cristina Kirchner hatte nichts zu kommentieren, als am Freitag bekannt wurde, dass Präsident Alberto Fernández das Gespenst eines neuerlichen Defaults vorerst wieder in den Schrank sperren konnte. Zumindest ein paar Monate wollen die...

Kirchner kämpft ums politische Überleben

Von Andreas Fink, Buenos Aires

Kein Wort. Cristina Kirchner hatte nichts zu kommentieren, als am Freitag bekannt wurde, dass Präsident Alberto Fernández das Gespenst eines neuerlichen Defaults vorerst wieder in den Schrank sperren konnte. Zumindest ein paar Monate wollen die Gläubiger den Argentiniern Zeit geben. Auch der Vizepräsidentin nutzt das – zumindest vorläufig.

Ein neuer Zahlungsausfall Ende Mai hätte die nach 15 Monaten Pandemie ausgezehrte Wirtschaft massiv gebeutelt, was die Chancen der Regierung bei den Teilwahlen im Herbst deutlich gefährdet hätte. Und das kann sich Kirchner keinesfalls erlauben. Denn hier steht nicht weniger auf dem Spiel als ihre persönliche Freiheit. Zehn Strafverfahren laufen gegen sie und ihre Kinder, die meisten wegen systematischer Korruption in ihren Regierungsjahren 2007 bis 2015. Kirchner will die Prozesse stoppen und das am liebsten durch eine Neubesetzung des obersten Gerichtshofs. Doch dafür braucht sie Zugewinne im Kongress.

Der Weg dahin führt durch die hunderte Barrios im Armutsgürtel um Buenos Aires, die durch acht Monate Lockdown deutlich gewachsen sind. Laut katholischer Universität sind 42% des Volkes arm, ohne Hilfen des Staates wären es 54%. Hier liegt die Strategie Kirchners: Sie will die durch ihre Politik verarmte Bevölkerung nun fördern.

Seit Jahresanfang hintertreiben Kirchner-treue Staatsdiener systematisch die Versuche des Finanzministers, das Budgetdefizit zu reduzieren und so den Forderungen des IWF nachzukommen. Vorige Woche verweigerte ein Unterstaatssekretär, eine mit Präsident Fernández vereinbarte Strompreiserhöhung umzusetzen. Fernández entließ den Beamten und kam damit nicht durch bei seiner Vize. Am Donnerstagsabend, nur Stunden, ehe Fernández IWF-Chefin Kristalina Georgiewa traf, brachten Kirchner-treue Parlamentarier eine Vorlage in den Kongress, um die Gaspreise in weiten Teilen des Landes zu senken – mit neuen Subventionen. Für den IWF sei kein Geld da, sagte Kirchner im März.