Kohlpaintner geht in die Offensive
Brenntag-Chef in der Offensive
ab Düsseldorf
Der Kampf um jede einzelne Aktionärsstimme im Vorfeld der Hauptversammlung hat sich gelohnt: Brenntag hat die eigenen Aufsichtsratskandidaten in einer Kampfabstimmung durchgesetzt. Das Ergebnis darf CEO Christian Kohlpaintner auch auf seinem Konto verbuchen, war sein Terminkalender in den vergangenen Wochen doch gespickt mit Gesprächen mit Aktionären, Kapitalmarktexperten und Pressevertretern.
Den Höhepunkt bildete die Rede in der gestrigen Hauptversammlung, in der sich der Chef des weltgrößten Chemiedistributeurs einerseits selbstsicher und kämpferisch gab, andererseits aber auch selbstkritisch: „Wir müssen, wollen und werden noch mehr Klarheit über unseren Plan und die Umsetzung schaffen. Hier haben wir in der Vergangenheit offenbar nicht so geliefert, wie es unser Anspruch sein sollte. Das werden wir ändern.“
Kohlpaintner war vor drei Jahren bei Brenntag angetreten, um das Geschäftsmodell zu transformieren und an die heutigen Gegebenheiten anzupassen. War ihm der Kapitalmarkt dabei zunächst gewogen, brachte der Brenntag-Chef die Aktionäre gegen sich auf, als er im Herbst einen Übernahmevorstoß neuer Größenordnung wagte. Konkret sondierten die Deutschen die Übernahme des größten Rivalen Univar. Mit dieser Volte erwischte der 59-Jährige seine Investoren auf dem falschen Fuß.
Gleichwohl verteidigte der promovierte Chemiker den Vorstoß in der Hauptversammlung: Die mögliche Übernahme nicht zu prüfen wäre einer Pflichtverletzung gleichgekommen. Sehr schnell habe sich jedoch herausgestellt, dass das mit der Übernahme verbundene Risiko-Ertrags-Profil den eigenen Anforderungen nicht genüge, erläuterte Kohlpaintner. „Deshalb haben wir die Gespräche in einem frühen Stadium beendet”, betonte der einstige Clariant-Manager, der seine berufliche Laufbahn Anfang der 1990er Jahre bei Hoechst begonnen hatte.
Die Deutungshoheit über die Ereignisse zurückzugewinnen ist eine der entscheidenden Aufgaben, die Kohlpaintner nun stemmen muss. Denn es ist eine Sache, eine Kampfabstimmung zu gewinnen, eine andere ist es, sich das Vertrauen der Anteilseigner dauerhaft zu sichern.
Zeit erkauft
Kohlpaintner hat sich mit dem Sieg in der Hauptversammlung Zeit erkauft, um den eingeschlagenen strategischen Kurs umzusetzen. Brenntag habe einen klaren Plan, den Wert des Unternehmens nachhaltig zu steigern. Dieser Plan werde „mit den richtigen Maßnahmen, zur richtigen Zeit und in der richtigen Geschwindigkeit“ umgesetzt, versprach der Manager. Anders als die aktivistischen Investoren, die die sofortige Aufspaltung des Unternehmens fordern, will sich Brenntag erst im Herbst entscheiden, ob die beiden Divisionen, die gerade eigenständig aufgestellt werden, unter einem einheitlichen Konzerndach Platz finden oder ob der Konzern aufgespalten wird. Die Zerschlagungsdebatte wird Kohlpaintner, dessen Vertrag bis Ende 2025 läuft, jedenfalls nicht mehr los. Die Aktionäre haben sich in der Hauptversammlung nur gegen eine übers Knie gebrochene Aufspaltung ausgesprochen. An der Idee zur gesellschaftsrechtlichen Trennung finden dagegen viele Gefallen.