Komplizierter Dialog in Katalonien
ths
Es war zuletzt ruhig geworden um Carles Puigdemont, den katalanischen Separatistenführer, der sich 2017 vor dem Zugriff der spanischen Justiz nach Belgien abgesetzt hatte. Seine selbsternannte Exilregierung mit Sitz in Waterloo hat an Einfluss verloren, seit die bürgerliche Junts per Catalunya in Barcelona nicht mehr den Regierungschef stellt.
Doch die überraschende Verhaftung Puigdemonts auf Sardinien am Donnerstag hat den langjährigen Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen eines Teils der katalanischen Gesellschaft neu aufgeheizt. Am Freitag gab es bereits erste Demonstrationen in Barcelona. Der Fall gefährdet den Annäherungskurs von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez an die Separatisten, auf deren Unterstützung seine Minderheitsregierung im Parlament angewiesen ist.
Die italienischen Behörden nahmen den Katalanen bei der Einreise am Flughafen der Stadt Alghero im Nordwesten Sardiniens fest, wo er ein Festival der katalanischen Kultur besuchen wollte. Am Freitag wurde er zwar auf freien Fuß gesetzt, darf Italien aber nicht verlassen, bis die Frage einer Überstellung an Spanien geklärt ist. Seine Anwälte kämpfen gegen eine Auslieferung und argumentieren mit dem Status Puigdemonts als Europaparlamentarier. Doch der Europäische Gerichtshof hatte im Juli den Entzug seiner Immunität bestätigt.
Nach dem illegalen Referendum und der folgenden Unabhängigkeitserklärung im Oktober 2017 floh Puigdemont nach Belgien, wo er sich vor der Justiz in Sicherheit fühlte. Im Jahr darauf wurde er auf der Durchreise in Schleswig-Holstein festgenommen. Das dortige Oberlandesgericht entschied jedoch gegen eine Auslieferung an Spanien, da es für den Vorwurf der Rebellion keine Begründung sah. Puigdemont bezog eine Villa in Waterloo und führt dort den „Rat der Republik“ an, eine Art Exilregierung. Lange Zeit bestimmte der frühere Journalist weitgehend das Geschehen in Katalonien. Doch im Februar dieses Jahres lagen die Separatisten der Republikanischen Linken ERC bei den Regionalwahlen in Katalonien erstmals vor Puigdemonts Junts per Catalunya und stellen seitdem mit Pere Aragonés den Ministerpräsidenten.
Während Puigdemont weiter auf einem harten Konfrontationskurs besteht, sind Aragonés und Sánchez aufeinander zugegangen, wenn auch mit viel Vorsicht. Vor Tagen trafen sich beide in Barcelona im Rahmen der vereinbarten Verhandlungsrunden. Sánchez braucht die Stimmen von ERC in Madrid, etwa für den Haushalt. Aragonés verurteilte die Festnahme von Puigdemont und forderte von Sánchez erneut eine Amnestie für alle Separatisten. Puigdemont bestimmt wieder die Agenda.