Vom Kabinett zur Notenbank

Kontroverse Neubesetzung an der Spitze der Banco de España

Die spanische Regierung setzt Digitalminister Escrivá als neuen Gouverneur der Notenbank durch. Die Opposition bezweifelt dessen Unabhängigkeit.

Kontroverse Neubesetzung an der Spitze der Banco de España

Ärger um neuen Chef der Banco de España

ths Madrid

Es ist nicht das erste Mal, dass die Nominierung eines Gouverneurs der spanischen Notenbank auf Kritik stößt. Doch die Ernennung von José Luis Escrivá ist so kontrovers wie nie. Spaniens Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo verkündete am Mittwoch im Parlament offiziell die Personalie, über die bereits seit Wochen spekuliert worden war. Escrivá ist Minister für die digitale Transformation in der Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez. Die Opposition stellt daher die Unabhängigkeit des neuen Notenbankchefs in Zweifel.

Sánchez entschied die Personalie im Alleingang. Das kann er rechtlich auch, aber traditionell haben sich in Spanien die beiden großen Volksparteien, die Sozialisten von Sánchez und die konservative PP immer auf einen Kandidaten geeinigt. Nun wechselt erstmals ein Minister vom Kabinett zur Banco de España. Ein Präzedenzfall war Miguel Ángel Ordóñez, der als Staatssekretär für Finanzen unter dem Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero 2006 an die Spitze der Notenbank aufstieg. Die Konservativen schickten 2018 ihren Wirtschaftsminister Luis de Guindos als Vizepräsidenten zur Europäischen Zentralbank.

Akribischer Wirtschaftsexperte

Selbst die Kritiker hegen keine Zweifel an der Eignung und Qualifikation Escrivás für den Posten. Der 63-jährige Volkswirt aus Albacete begann seine Laufbahn bei der Banco de España, war dann Leiter der Abteilung für Währungspolitik bei der EZB und arbeitete bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Nach seiner Zeit bei der Großbank BBVA machte ihn die damalige konservative Regierung 2014 zum Chef neu eingerichteten unabhängigen Aufsichtsbehörde für die Staatsfinanzen AIReF. Dort bewies der akribische Wirtschaftsexperte, der gerne eigene Statistiken anfertigt, seine Unabhängigkeit in zahlreichen Diskrepanzen mit der Regierung, die ihn benannt hatte.

Im Kabinett Sánchez war Escrivá, der kein Parteibuch hat, zunächst für die Sozialsysteme zuständig. Auf Kritik an seiner Rentenreform, die noch nicht vervollständigt ist, reagierte er empfindlich, besonders auf Analysen der Banco de España.

Zweifel an Unabhängigkeit

In der sechsjährigen Amtszeit des von den Konservativen erkorenen Gouverneurs Pablo Hernández de Cos, die im Juni endete, gab es mehrfach heftige Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Notenbank. Etwa wegen der negativen Einschätzung der Experten über die Arbeitsmarktreform oder die deutliche Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns. Für die Opposition gibt es keine Zweifel daran, dass Escrivá sich nicht unabhängig zur Wirtschaftspolitik der Sánchez-Regierung äußern kann, etwa zum bevorstehenden Haushaltsplan oder seiner eigenen Rentenreform.

Der neue Gouverneur kann gut austeilen. Er hat aber oft seinen Sinn für Humor bewiesen und kann selbst über seine gelegentlichen Tritte ins Fettnäpfchen lachen. Nun muss noch eine Nachfolgerin für die stellvertretende Notenbankchefin Margarita Delgado, deren Mandat nächste Woche endet, gefunden werden. Eigentlich könnten die Konservativen einen Namen vorschlagen. Doch die verweigern sich aus Protest gegen Escrivá.

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