Marketmaker

Kryptohandel als One-Man-Show

Matthew Tweed lebt noch bei seinen Eltern, arbeitet von seinem Zimmer aus. Doch in der Welt der Kryptohändler ist der 20-Jährige längst ein anerkannter Marketmaker.

Kryptohandel als One-Man-Show

Bloomberg

Matthew Tweed ist Welten entfernt von den Händlern der Wall Street. Der 20-Jährige hat erst vor zwei Jahren die Highschool abgeschlossen und war nie auf dem College. Er hat sein Zimmer im Elternhaus im englischen Surrey zum Büro gemacht. Dank der dezentralen Welt der Kryptowährungen ist Tweed mit seinem Einmannbetrieb, der an zwei der größten Börsen angeschlossen ist, Marketmaker für Bitcoin-Derivate – so wie es auch die großen Hedgefonds-Profis sind.

Von einem Unbekannten hat Tweed auf Reddit gelernt, wie man Marketmaking-Systeme mit geringer Latenz baut. Jetzt versucht er, mit digitalen Währungen wie Bitcoin reich zu werden, bevor noch mehr institutionelle Akteure in die Branche einsteigen. „Ich genieße es, unabhängig zu sein. Ich muss auch nicht fünf Jahre lang als junger Analyst 100-Stunden-Wochen bei einer Bank schieben“, sagt er beim Mittagessen in einem Café in der Nähe seines Hauses, bevor sein Arbeitstag beginnt. „Ich kann das für mich selbst tun und zu meinen eigenen Bedingungen.“

Auf stark regulierten und liquiden Märkten wie dem Aktien- und Anleihenmarkt, wo die finanzstarken Profis mit Hochfrequenztechnologie die Einstiegshürden für kleine Leute hochtreiben, wäre er als Einsteiger so gut wie chancenlos. Tweed, der seine Einmannfirma Pine Financial nennt, versucht aus der Spanne zwischen den Geld- und Briefkursen für Bitcoin Perpetual Futures – ein spezielles Krypto-Derivat für spekulative Wetten – Geld zu verdienen, wann immer es profitabel erscheint. Dank einer verlässlichen Reihe von Handelsmethoden, die die Profite im Laufe der Zeit steigen lassen, seien durchaus Jahresgewinne von 100% zu erwarten, sagt Tweed. Genaue Zahlen will er nicht nennen.

Chancen für Einsteiger

Ein leitender Angestellter einer Kryptobörse, an der Tweed aktiv ist, bestätigte, dass er ein effektiver, schnell reagierender Marketmaker sei. In der Welt, in der täglich hunderte von Milliarden Dollar den Besitzer wechseln, ist Tweed dennoch ein kleiner Akteur. Verglichen zum Beispiel mit Chicagoer Handelsfirmen wie Jump Trading und Tower Research, die sich vor einigen Jahren in die Kryptobranche gestürzt haben. Zunehmend drängen auch Unternehmen wie Goldman Sachs, Susquehanna International Group und Jane Street in das Segment.

Bitcoin hat im vergangenen Jahr mehr als 200% zugelegt und wurde zuletzt bei 42550 Dollar gehandelt. Im Kryptohandel sind Daten und Zugang kostenlos, was ihn für Amateure attraktiv macht. Noch stützt sich der Markt allerdings nicht auf Hochfrequenztechnologie, die Banktürme in die geografische Nähe von Rechenzentren zwingt. Der Sektor ist auf Dezentralität basiert und die Zahl der Handelsplätze enorm. Coinmarketcap.com listet mehr als 300 Börsen. „Alles in diesem Bereich ist einfach anders“, sagt David Fauchier, der für den Factors Fund von Nickel Digital Kapital an Quantmanager vergibt. „Es sind ganz andere Fähigkeiten gefragt.“

Modellierungs- und Programmierkenntnisse sind wichtig, aber vieles hängt von einem guten Verständnis der zahlreichen Eigenheiten des Kryptomarktes ab. Auf traditionellen Märkten beispielsweise stellen Hochfrequenzunternehmen ihre Server in der Nähe der Börse auf, um die Geschwindigkeit zu maximieren, was als Co-Location bekannt ist. Bei Kryptowährungen werden die meisten Plattformen in der Cloud betrieben, so dass Tweed erst eine Reihe von Trades durchführen musste, um den Standort der Server einer bestimmten Börse zu lokalisieren. Das ist eine gängige Strategie, die von Low-Latency-Händlern verfolgt wird.

Angesichts der hohen Volumina bei einer Vielzahl von digitalen Währungen, zugehörigen Derivaten und Handelsplätzen ist Marketmaking eine profitable Krypto-Strategie – insbesondere im Bullenmarkt. Laut einem Bericht von PricewaterhouseCoopers und Elwood Asset Management ist dies auch ein Weg, mit dem Quant-Long-Short-Fonds Erträge zu erzielen. Abgesehen von der Geld-Brief-Spanne zahlen einige Börsen auch hohe Rabatte an Liquiditätsanbieter, während einige Token-Emittenten Händler für den Handel mit ihren Vermögenswerten bezahlen. Ganz zu schweigen von Decentralized Finance, wo praktisch jeder ein Marketmaker sein kann, indem er seine Währung in einen Liquiditätspool einbringt, der dann den Kauf und Verkauf mit einer mathematischen Formel automatisiert.

Der 20-Jährige Tweed in einem purpurroten Kapuzenpulli nippt an seiner Dose Limonade und sagt, dass jetzt genau der richtige Zeitpunkt für Kryptofans der ersten Stunde ist, um angesichts der unzähligen Möglichkeiten richtig einzusteigen. „Man weiß nicht unbedingt, ob Kryptowährungen in einem Jahrzehnt noch so sind wie heute“, sagt Tweed. „Also sollte man sie jetzt nutzen, solange man einen Vorteil ziehen kann.“

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