Luftfahrt-Prominenz investiert in Nachhaltigkeit
Der 22. August 2024 war ein wichtiger Tag für Mark Misselhorn. Denn im vergangenen Sommer wurde im Industriepark Höchst in Frankfurt ein von MAN gebauter Reaktor angeliefert, mit dem ab dem kommenden Jahr eine Pilotanlage zur Herstellung von synthetischem Flugbenzin laufen soll. Diese Anlage soll unter großer Hitze – rund 1.500 Grad – aus Biomethan und Wasserstoff nachhaltiges Kerosin produzieren. Hinter dem patentierten Verfahren steckt die Firma Caphenia aus Bernau am Chiemsee. Und hinter Caphenia steckt Mark Misselhorn, Gründer und Geschäftsführer.
Caphenia ist zwar Misselhorns Baby, doch alleine wäre er vermutlich nicht weit gekommen, zumal bei der Finanzierung des Projekts. Das war dem Caphenia-Chef schon bei der Gründung eines Vorläufers des Unternehmens im Jahr 2011 klar, als zunächst seine Eltern und Geschwister Geld in die Firma steckten. Im Jahr darauf einigte sich Misselhorn, von Haus aus Volkswirt und in Entwicklungsökonomie promoviert, mit der Lufthansa unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Christoph Franz auf eine Kooperation. Schon damals zeichnete sich ab, dass bei der Transformation der Luftfahrt hin zu mehr Umweltverträglichkeit an sustainable aviation fuel (SAF) kein Weg vorbeiführen würde. Und dass der wertvolle Stoff vermutlich über Jahre Mangelware bleiben würde.
Lufthansa-Chef Franz hatte eine Vision entwickelt, wie eine Vollversorgung der Airline mit nachhaltigen Kraftstoffen erreicht werden könnte, Caphenia war da einer der Bausteine. Doch Franz-Nachfolger Carsten Spohr, schon immer mehr auf das operative Fluggeschäft fokussiert und damals mit der Übernahme von Teilen der Pleite gegangenen Air Berlin beschäftigt, beendete die Zusammenarbeit im Jahr 2017.
Institutionelle Investoren gesucht
Christoph Franz, zwischenzeitlich zu Roche abgewandert, glaubte indes ebenso wie einige Lufthansa-Manager weiterhin an das Projekt – sie investierten als Privatleute in Caphenia. Dazu gehörten die ehemalige Finanzvorständin Simone Menne und Kay Kratky, damals zuständig für den Lufthansa-Flugbetrieb und später Chef der Tochter Austrian Airlines. Kratky leitet den Beirat, dem auch die ehemalige Vorständin der Deutschen Bahn, Sabina Jeschke, und der Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Prof. Dr. Manfred Aigner, angehören.
Mit dabei war als Geldgeber auch Lufthansa-Manager Peter Gerber, der mittlerweile die Fluggesellschaft Condor führt. Gesellschafter sind außerdem der ehemalige Austrian-Airlines-Vorstand Peter Malanik und Roland Busch, einst unter anderem Vorstand bei Lufthansa Cargo und Swiss. 2023 kamen als Investoren Amadeus Ventures und die eFuel GmbH, ein Zusammenschluss von mittelständischen Tankstellenbetreibern, hinzu. Zudem hat die Condor unter ihrem früheren Chef Ralf Teckentrup eine langjährige Abnahmeverpflichtung für den Caphenia-Treibstoff ausgehandelt.
Mit diesen Partnern und Investoren im Rücken kommt Caphenia derzeit über die Runden. Wenn es aber an den Bau einer ersten kommerziellen Anlage geht, „dann brauchen wir institutionelle Investoren“, sagt Misselhorn im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Zuletzt hatte es eine Förderung des Landes Bayern gegeben, es soll nun eine Vor-Machbarkeitsstudie für einen eventuellen Standort in dem südlichen Bundesland erstellt werden.
Investoren anlocken will Misselhorn unter anderem mit der Aussicht auf vergleichsweise günstige Produktionsstätten. „In eine klassische Power-to-Liquid-Anlage für die Herstellung von 60.000 bis 100.000 Tonnen SAF müssen Milliarden investiert werden, in unseren Anlagen sind nur 15.000 Tonnen vorgesehen, das macht es günstiger.“ Günstiger wird es auch für die Abnehmer, also zunächst einmal vor allem Condor. „Rein strombasiert produziertes Kerosin kostet 6.000 bis 9.000 Euro je Tonne, bei unserem Treibstoff werden es 2.000 bis 2.500 Euro sein“, so Misselhorn. Allerdings kostet herkömmliches Kerosin nur rund 800 Euro je Tonne.
In den 13 Jahren seit der Gründung der Vorgängerfirma sei viel Herzblut geflossen, so Misselhorn. Anscheinend nicht nur seines, bei der Einweihung der Anlage in Höchst war auch Misselhorns Vater dabei. Um die Finanzierung für kommerzielle Anlagen zu stemmen wird sicher noch mehr Herzblut nötig sein. Doch den Namen für sein Baby hat Misselhorn vermutlich nicht ohne Grund gewählt: Caphenia ist eine Abkürzung für „Carbon Phoenix Arising from the Ashes“, was so viel heißt wie „Wiedergeburt des Kohlenstoff-Phönix aus der Asche“. Steht für die Energieerzeugung aus Verbrennungsrückständen, aber auch für einen fulminanten Neubeginn nach einer schwierigen Phase.