Leica-Chef Matthias Harsch

Fotografieren ist nicht so sein Ding

Matthias Harsch hat Leica als CEO durch die Coronakrise geführt und dem Unternehmen aus Wetzlar eine Diversifizierung verordnet.

Fotografieren ist nicht so sein Ding

Fotografieren ist nicht so sein Ding

lis Frankfurt
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Der Chef von Leica kommt daher wie die Produkte des Unternehmens aus Wetzlar: schnörkellos und unaufgeregt. „Wir haben das ja schon in der ersten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident erlebt“, winkt Matthias Harsch, der CEO der Leica Camera AG, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung beim Thema Zölle ab. Bei hochpreisigen Gütern wie den Leica-Kameras – „unser Modell M ist der 911er unter den Kameras“ – mache das wenig aus, „mehr besorgt uns die Konsumentenstimmung und die wachsende Verunsicherung“.

Die Kaufbereitschaft der Konsumenten könnte abnehmen, und für den Kamerahersteller sind die USA mit einem Umsatzanteil von 20% der wichtigste Markt. Zumal man den USA eigentlich sehr großes Potenzial beimesse, „grade wegen der robusten Economy in den vergangenen Jahren“. Zölle auf Objektive mache auch deshalb wenig Sinn, „weil es in den USA keinen Objektivhersteller gibt, wer soll dadurch geschützt werden?“

„Luxus der Zukunft“

Harsch, der das Traditionsunternehmen aus Wetzlar sei 2017 führt, hat die Firma durch die Coronazeit navigiert. „Es gab eine Zeit während der Pandemie, da waren alle unsere mehr als 120 Stores geschlossen“, erinnert sich der Manager, der 2016 als Berater zu Leica gekommen war. Schon im Jahr 2021/22 habe man allerdings ein Rekordjahr verbuchen können. Aber wer kauft eigentlich noch Fotoapparate, wo seit Jahren vor allem mit Handys fotografiert wird? Professionelle Fotografen natürlich, aber auch jede Menge Leica-Liebhaber. Die schlichte Form, gefüllt mit Technologie „Made in Germany“, dafür greifen Kunden auch tiefer in die Tasche. Harsch spricht vom „Luxus der Zukunft“, bei dem es nicht mehr um möglichst viel Bling-Bling, sondern vielmehr um „Experience“ gehe. Das spreche vor allem jüngere Käufer an, auch und vor allem in China, das für Leica der zweitwichtigste Markt nach den USA ist.

Bei Leica wird nicht jedem Trend nachgejagt, aber Harsch und sein Team haben die Trends durchaus im Blick. Zum Beispiel die Handy-Fotografie. Leica kooperiert mit dem chinesischen Smartphone-Hersteller Xiaomi und liefert Kameramodule für mehrere Handymodelle. Vor einigen Monaten stellte das Unternehmen zudem nach der Übernahme der norwegischen Fjorden Electra AS die App Leica Lux für das iPhone vor. Sie ermöglicht es, Fotos im Stil einer Leica-Kamera zu machen. Von der Bildqualität ist das nicht mit einer Kamera vergleichbar, „denn gute Optik braucht Platz“, aber es hebt sich dennoch qualitativ von der Standard-Handyfotografie deutlich ab. Harsch selbst sagt zwar, dass er zum Fotografieren mittlerweile auch wieder einen Fotoapparat benutzt, „aber ob ich tatsächlich fotografieren kann, würde ich jetzt mal hinterfragen“.

Neue Segmente müssen sich beweisen

Den Glanz, den Leica-Fans beim Anblick einer Kamera dieser Marke in den Augen haben, ist an Harsch jedenfalls nicht zu entdecken. Umso begeisterter spricht der Manager über das Potenzial der Marke. Leica genieße eine enorm hohe Loyalität der Kunden, „das dürfte einzigartig sein“. Harsch sieht Leica längst nicht mehr als reinen Kamerahersteller. Das Portfolio wurde behutsam erweitert, etwa um Brillen und Uhren unter dem Label Leica. Ein Grund für die Diversifizierung sind die Stores. „Wir sind dadurch ja auch Retailer und wollen unseren Kunden in den Stores ein hochwertiges Markenerlebnis mit neuen, innovativen Produkten präsentieren.“ Weitere Ableger sind allerdings erst einmal nicht geplant, „die neuen Segmente müssen sich jetzt erst einmal beweisen.“

Geduld erforderlich

Ein weiteres Feld, auf dem man Leica nicht unbedingt erwartet, sind Laser-Projektoren, mit denen TV-Programme und Streaming-Inhalte an die Wand oder auf Leinwände gebracht werden. „Das Ende des klassischen Display-Fernsehers naht“, ist Harsch überzeugt. Er muss es wissen, hat er doch von 2013 bis 2015 den TV-Hersteller Loewe geführt – „die Sanierung war ein hartes Brot“. Schon damals habe man über eine ähnliche Technik nachgedacht, „aber zu der Zeit gab es die passende Technologie noch nicht“. Das ist jetzt anders, aber Harsch hat Leica bei diesem Projekt Geduld verordnet. „Der Fernseher ist ein gelerntes Projekt, das dauert seine Zeit, das abzulösen.“ Man müsse auch ab und zu was wagen, betont der Leica-CEO, „Innovation heißt immer auch Wagnis.“

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