Michael Heise 65
Von Mark Schrörs, Frankfurt
Eigentlich ist Michael Heise im Oktober 2019 in den Ruhestand gegangen, als er nach 17 Jahren bei der Allianz als Chefvolkswirt ausschied. Aber er ist weit davon entfernt, sich aufs viel zitierte „Altenteil“ zurückzuziehen. Vor allem als Chefvolkswirt des Multi Family Office HQ Trust ist Heise, der an diesem Sonntag seinen 65. Geburtstag feiert, weiter sehr aktiv – und auch weiter viel präsent in den ökonomischen Zirkeln sowie ein gefragter Interviewpartner und Teilnehmer bei Diskussionen. Seit April 2020 hat er die damals neu geschaffene Position inne.
„Mehr Freiraum“
„Die Arbeit macht immer noch Riesenspaß“, sagt Heise, der an seiner neuen Rolle nach der Allianz vor allem eins richtig genießt: „den erheblich größeren Freiraum“. In einem Großkonzern wie der Allianz sei man oft stark getrieben, erzählt er im Gespräch. Jetzt als Selbständiger habe er wieder mehr Hoheit über den eigenen Terminkalender. Die Arbeit für HQ Trust nimmt dabei den Großteil seiner Zeit in Anspruch. Aber er hat noch andere Aufgaben: So berät er etwa die Deutsche Private Equity bei volkswirtschaftlichen Themen, und er sitzt im Beirat von Amundi.
Seine berufliche Laufbahn hat der Volkswirt nach der Promotion an der Universität Köln im Jahr 1986 im wissenschaftlichen Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“) begonnen. Von 1989 bis 1995 war er dann Generalsekretär des Rats. 1995 wurde er Chefvolkswirt der DG Bank sowie Leiter des Research und der Volkswirtschaft der DZBank. Ende 2002 folgte der Wechsel zur Allianz und der dazugehörigen Dresdner Bank. Nach dem Verkauf der Dresdner Bank an die Commerzbank wechselte Heise zur Allianz SE. Mit den Jahren wurde Heise zu einem der bekanntesten Ökonomen im deutschsprachigen Raum. Für seine Prognosen wurde er auch immer wieder mit Preisen ausgezeichnet.
Heise hat sich in den verschiedenen Positionen zu vielen Themen geäußert und dazu publiziert. Sein besonderes Interesse gilt aber heute jenen Themen, die auch für die Finanzmärkte zentral sind – Geldpolitik, Inflation, Zinsen. Und er hat eine klare Meinung zum aktuellen starken Inflationsanstieg weltweit. Er sieht die Gefahr, dass die hohe Inflation nachhaltiger ist, als derzeit viele, vor allem auch die Zentralbanken, erwarten – nicht zuletzt auch wegen der anhaltenden Lieferengpässe und Logistikprobleme. Und er sagt: „Die Inflation ist derzeit das Hauptrisiko für die Finanzmärkte. Wenn sich die Inflation länger hält, muss die Geldpolitik irgendwann umschwenken. Dann sind wir womöglich schnell in einer anderen Realität.“ Das könne dann etwa an den Aktien- und Immobilienmärkten zu Korrekturen führen.
In den Bergen unterwegs
Wenn sich der gebürtige Memminger gerade nicht mit Ökonomie und Politik beschäftigt, ist er gerne in den Bergen unterwegs – zum Skifahren oder auf Bergtour. Und das gerne mit seiner älteren Tochter, die eine Skiführerausbildung hat. „Da kann man sich sicher fühlen“, sagt der dreifache Vater. Ansonsten ist es ihm auch wichtig, Freundschaften zu pflegen, auch die internationalen Kontakte.
Auch seinen Geburtstag feiert Heise am Sonntag vor allem im Kreise einiger guter Bekannter und enger beruflicher Weggefährten – daheim im idyllischen Bad Wiessee.