Michael Hüther 60
Von Detlef Fechtner, Frankfurt
In der Zunft der Volkswirte gibt es viele, die behaupten, diese oder jene Entwicklung ja schon seit langem vorhergesehen zu haben. Nicht selten hat das damit zu tun, dass manche Ökonomen in einer gewissen Beliebigkeit alles und jenes voraussagen – und dann natürlich in einigen Fällen auch Recht behalten.
Bei Michael Hüther ist das anders. Er kann oft mit Fug und Recht behaupten, mit seinen meist konzisen Ausblicken „ahead of the curve“ zu sein. Das liegt nicht etwa daran, dass Hüther über eine besonders gute Glaskugel verfügt. Sondern an seiner Erfahrung, seinen analytischen Fähigkeiten und an seiner Bereitschaft zur offenen argumentativen Auseinandersetzung – ohne Scheuklappen oder Besserwisserei. Anders gesagt: Es ist lehrreich und macht Spaß, mit ihm über wirtschaftliche Entwicklungen oder Fehlentwicklungen zu diskutieren, denn Hüther begibt sich dabei immer auch auf neue argumentative Pfade.
Anfang dieses Jahres warnte Hüther vor der Gefahr einer lang anhaltenden Stagflation – eine Sorge, die zunächst von vielen als alarmistisch gewertet wurde. Spätestens seit dem rapiden Anstieg der Preise einerseits und der sukzessiven Rücknahme der Wachstumsprognosen wie zuletzt seitens des IWF andererseits ist die Debatte über das Risiko einer Stagflation nunmehr in vollem Gange – eine Diskussion, die Hüther mit seinen Hinweisen auf anziehende Kosten der Transformation der Wirtschaft in Zeiten der Energiewende und die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale mindestens mitentfacht hat.
Politik und Wirtschaft
Der Rheinländer studierte in Gießen Wirtschaft und Geschichte und signalisierte bereits mit seiner Promotion über Steuer-Transfersysteme für die Bundesrepublik Deutschland sein besonderes Interesse an Themen an der Schnittstelle zwischen Finanz- und Steuerpolitik sowie Konjunktur und Wirtschaft. In Gießen arbeitete Hüther dann zunächst an der Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter, bevor er zum Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wechselte. In seiner Zeit bei den fünf Wirtschaftsweisen stieg er zum Generalsekretär und zum Leiter des wissenschaftlichen Stabes auf.
Kurz vor der Jahrtausendwende heuerte Hüther dann als Chefvolkswirt bei der DekaBank an – viele in Frankfurt kennen ihn aus seinen Jahren bei der Deka, zumal er in dieser Zeit zu den Gesichtern des Finanzplatzes zählte, weil er zu zahlreichen Themen sachkundig und redegewandt vortrug. Bis heute äußert sich der Wirtschaftswissenschaftler zu einer breiten Palette von Fragen – ob im kurzen Essay oder in der programmatischen Schrift.
IW-Chef seit 18 Jahren
Seit mittlerweile fast 18 Jahren ist Hüther inzwischen Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Der IW-Chef ist ein gesuchter Gesprächspartner – und das längst nicht nur für konjunkturelle Prognosen, sondern auch in Debatten über angemessene Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Dabei ist er nicht nur bei Talkshows vor Millionenpublikum im Fernsehen mit von der Partie, sondern gleichzeitig auch beim fachlichen Austausch im kleineren Kreis – etwa bei den traditionsreichen Finanzmarkt-Roundtables des IW. Michael Hüther feiert am kommenden Sonntag seinen 60. Geburtstag.