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Milliardäre im Ferngespräch mit Telecom Italia

Von Thesy Kness-Bastaroli, Rom, und Stefan Paravicini, Frankfurt Börsen-Zeitung, 31.10.2015 Marco Patuano, der Chef des italienischen Telekomkonzerns Telecom Italia (TI), hat sich sicher schon nach einem günstigen Mobilfunktarif für Verbindungen...

Milliardäre im Ferngespräch mit Telecom Italia

Von Thesy Kness-Bastaroli, Rom, und Stefan Paravicini, FrankfurtMarco Patuano, der Chef des italienischen Telekomkonzerns Telecom Italia (TI), hat sich sicher schon nach einem günstigen Mobilfunktarif für Verbindungen zwischen dem Firmensitz in Rom und Paris umgesehen. Der französische Medienkonzern Vivendi ist schließlich bereits seit dem Sommer größter Aktionär von TI. Den Tarif kann Patuano nun für weitere Ferngespräche nutzen. Denn mit dem 48-jährigen Xavier Niel, der mit der von ihm kontrollierten Telekomgesellschaft Iliad bereits den Mobilfunkmarkt in Frankreich aufgemischt hat, hält jetzt ein zweiter französischer Milliardär ein großes Aktienpaket an der ehemals staatlichen Gesellschaft. Die TI-Anteile von Vivendi können zumindest indirekt dem 63-jährigen Vincent Bolloré zugeordnet werden, der bei dem Mischkonzern als größter Aktionär den Vorsitz im Aufsichtsrat hat. Xavier Niel stockt aufNachdem die italienische Börsenaufsicht Consob bereits am Donnerstag mitgeteilt hatte, dass Niel über diverse Finanzinstrumente Zugriff auf gut 11 % der TI-Anteile hat (vgl. BZ vom 30. Oktober), meldete die Aufsichtsbehörde am Freitag, dass der Unternehmer seine Beteiligung auf 15,1 % aufgestockt hat. Vivendi hält bereits 20 % und hat zuletzt durchblicken lassen, den eigenen Anteil ebenfalls ausbauen zu wollen.Am Finanzplatz Mailand, wo die Aktie von Telecom Italia am Freitag zeitweise auf dem höchsten Stand seit dem Sommer 2008 notierten, schießen Spekulationen über die Motive von Bolloré und Niel ins Kraut. Nur wenige Analysten sind dabei der Ansicht, dass die zwei so unterschiedlichen Manager gemeinsame Sache machen könnten. Die Börsenaufsicht in Mailand prüft dennoch, ob es Absprachen zwischen den beiden gibt. Sollten Abreden nachgewiesen werden, müsste ein öffentliches Übernahmeangebot für TI vorgelegt werden, das seit dem vergangenen Jahr ab einer Beteiligung von mehr als 25 % zwingend ist.Die Spekulationen in Mailand gehen derweil mehr in die Richtung, dass Niel mit dem Plazet der französischen Regierung handelt und der Vorbote eines möglichen Einstiegs des Telekomkonzerns Orange bei TI sein könnte. Orange, die ehemalige France Télécom, flirtet schon seit längerem mit TI. Ein Zusammengehen würde auch dem französischen Regierungschef François Hollande gut ins Konzept passen, heißt es unter Marktbeobachtern in Mailand. Möglicherweise habe Niel seine Pläne bereits der Regierung in Rom mitgeteilt. Dies könne auch das Schweigen des Kabinetts um Regierungschef Matteo Renzi erklären, der in den nächsten Jahren erheblich in den Ausbau des Breitbandnetzes investieren will und dazu eine Kooperation der verschuldeten TI mit dem Energieversorger Enel angeregt hat. Rom bleibt stummRom hat bislang zu Niels Beteiligung bei TI keine Stellung genommen. Iliad äußerte sich ebenfalls nicht, da es sich um ein privates Engagement des Unternehmensgründers handle und der Konzern selbst keine Anteile an TI halte. Aus dem Umfeld von Vivendi war nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg nur zu hören, dass der Medienkonzern Niel nicht gebeten habe, bei Telecom Italia mit einzusteigen. Die Tageszeitung “Le Figaro” spekuliert deshalb, dass Niel, der Vivendi mit Iliad das Leben in Frankreich schwer gemacht hat, bevor sich der Medienkonzern von der Mobilfunktochter SFR trennte, die Klingen mit Bolloré jetzt auf italienischem Boden kreuzen möchte.Niel gilt als Arbeitstier, als Tausendsassa und ist ohne Zweifel einer der ungewöhnlichsten Unternehmer Frankreichs. Der im südöstlich von Paris gelegenen Vorort Créteil geborene Manager hat im Gegensatz zu den meisten französischen Wirtschaftsgrößen – und auch im Unterschied zu Bolloré – nicht an einer Kaderschmiede studiert. Dafür hat sich der Sohn eines Juristen und einer Buchhalterin bereits als Gymnasiast als Unternehmer hervorgetan. Unzüchtiger BildschirmtextNiel experimentierte zu Beginn der achtziger Jahre mit dem Minitel, einem französischen Online-Dienst, der mit dem deutschen Bildschirmtext vergleichbar war. Mit nur 16 Jahren entwickelte er das sogenannte “Minitel Rose”, wie Sex-Dienste bei dem Internetvorgänger in Frankreich hießen, und legte damit den Grundstein für sein Vermögen, das sich laut “Forbes” mittlerweile auf gut 9 Mrd. Dollar beläuft. Sein Anteil von knapp zwei Dritteln an der gut 11 Mrd. Euro schweren Iliad macht den Löwenanteil davon aus.Der Kern des Telekomunternehmens geht auf die Firma Fermic Multimedia zurück, die Niel 1991 kaufte und später in Iliad umfirmierte. Zwei Jahre später gründete er Worldnet, den ersten französischen Internetanbieter, den er im Jahr 2000 für 40 Mill. Euro weiterverkaufte. 2002 dann wirbelte er die Telekombranche durcheinander, als er ein Triple-Play-Angebot aus Fernsehen, Mobilfunk und Internet lancierte. Als Iliad 2012 schließlich als vierter Mobilfunkanbieter in Frankreich zugelassen wurde, rüttelte er die Branche erneut durch. Seither herrscht auf dem französischen Mobilfunkmarkt ein gnadenloser Preiskampf. Peepshows und BibelnDem Autodidakten gehört zusammen mit Pierre Bergé und Mathieu Pigasse seit 2010 die Tageszeitung “Le Monde” und seit kurzem das Nachrichtenmagazin “Le Nouvel Observateur”. Nur einmal hatte Niel bislang ein unglückliches Händchen, als er in Peepshows investierte, weshalb er 2004 der Zuhälterei verdächtigt wurde und einen Monat in Untersuchungshaft verbringen musste. Niel wurde im Zusammenhang damit 2006 zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt.Vincent Bolloré ist ebenfalls kein Kind von Traurigkeit. Nachdem er an der Universität Paris Ouest Nanterre La Défense Wirtschaftsrecht studiert hatte, übernahm er 1981 zusammen mit seinem Bruder Michel-Yves den heruntergewirtschafteten Betrieb seiner bretonischen Familie. Er sanierte das Unternehmen, das einst hauchdünnes Papier für Zigaretten und Bibeln erfand, und drängte den Bruder aus der Firma.Der Vater von vier Kindern herrscht über eine Gruppe, die aus einem komplizierten Geflecht von sich ständig verändernden Beteiligungen und Holdings besteht. Bolloré besitzt inzwischen diverse Beteiligungen, Gratiszeitungen wie “DirectMatin”, macht in Elektrofahrzeugen und in Weingütern bei Saint-Tropez. Kern der Bolloré Group sind bis heute Logistik und Warenumschlag in Afrika. Dass Bolloré mit Vivendi den Einfluss bei Telecom Italia ausbauen will, verwundert indessen, da der Konzern erst vor zwei Jahren beschlossen hat, sich von den eigenen Mobilfunk-Assets zu trennen.Die Erklärung für die Engagements der beiden französischen Investoren bei Telecom Italia könnte freilich auch opportunistischer Natur sein. Schließlich verfügt TI mit ihrer brasilianischen Mobilfunktochter über ein Asset, dessen vollständiger Wert an der Börse erst noch gehoben werden muss. Zum Beispiel, wenn der brasilianische Mobilfunkanbieter Oi und TIM Brasil in dem Land gemeinsame Sache machen würden, um sich im Wettbewerb mit Telefónica und América Móvil besser zu positionieren. Interesse an einer Übernahme wurde beiden Parteien bereits nachgesagt.Vor gut einem Jahr hieß es, dass Oi zusammen mit den brasilianischen Töchtern von América Móvil und Telefónica an einem Gebot mit einem Volumen von bis zu 10 Mrd. Euro für TIM Brasil bastele. Doch daraus wurde nichts, und Telefónica übernahm wenig später für gut 7 Mrd. Euro den brasilianischen Breitbandanbieter GVT von Vivendi. Es war für Telefónica der Einstieg in den Ausstieg bei TI, weil die Spanier den Zukauf unter anderem mit Anteilen an Telecom Italia bezahlten. Mikhail Fridman spricht mit OiMit dem russischen Milliardär Mikhail Fridman, der sich mit Oi gerade auf exklusive Verhandlungen über einen möglichen Einstieg seiner Investmentgesellschaft LetterOne verständigt hat, könnte bald wieder Bewegung in die Angelegenheiten zwischen TIM Brasil und Oi kommen. Denn LetterOne will nach Angaben von Bloomberg bis zu 4 Mrd. Dollar bei Oi investieren und würde dem Konzern damit auch finanziellen Spielraum für M&A-Aktivitäten verschaffen. Gut möglich also, dass in Sachen TI die wichtigsten Ferngespräche in den nächsten Monaten zwischen Rio de Janeiro und Moskau stattfinden.