PERSONEN

Mission Komplexitätsabbau

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 28.6.2019 Chefwechsel sind häufig Zäsuren in der Geschichte von Unternehmen. Die Stabübergabe an der Spitze der FMS Wertmanagement von Stephan Winkelmeier an Christoph Müller dagegen wird geräuschlos vor...

Mission Komplexitätsabbau

Von Michael Flämig, MünchenChefwechsel sind häufig Zäsuren in der Geschichte von Unternehmen. Die Stabübergabe an der Spitze der FMS Wertmanagement von Stephan Winkelmeier an Christoph Müller dagegen wird geräuschlos vor sich gehen. Denn Winkelmeier wechselt am 1. Juli im besten Einvernehmen an die Spitze der BayernLB, und sein Nachfolger arbeitet praktisch schon seit der Gründung der bundeseigenen Gesellschaft für die Abwicklungsanstalt. Trotzdem hat die Personalentscheidung eine hohe Bedeutung für Deutschland. Denn Müllers Leistung wird mitentscheidend dafür sein, ob die Finanzkrise den Steuerzahler nochmals viele Milliarden Euro kostet.Seit Etablierung der Anstalt, die wesentliche Teile der früheren Hypo Real Estate abwickelt, ist fast alles gut gegangen. Anfangs wurde zwar ein hoher Verlust vermeldet, doch der Überschuss der vergangenen sieben Jahre addiert sich auf 1,55 Mrd. Euro. Die Manager drückten das Portfolio der FMS Wertmanagement in den Jahren 2010 bis Ende 2018 von 176 Mrd. auf 69 Mrd. Euro. Das Portfolio der zugekauften Depfa schrumpfte zwischen 2014 und 2018 von 24 Mrd. auf 7 Mrd. Euro. Insofern gibt es nun weniger Risiken.Klar ist aber auch: Der Markt hat es gut gemeint mit der FMS Wertmanagement, es waren sieben fette Jahre. Für große Krisen aber ist die Anstalt schlecht gerüstet, weil sie – wie in einem abschmelzenden Portfolio ohne Neugeschäft zu erwarten – hohe Klumpenrisiken aufweist. Die Hälfte des Nominalvolumens liegt in nur zwei Ländern: im Brexit-geschüttelten Großbritannien und dem notorisch klammen Italien. Zu allem Überfluss sind die Assets dort auch inflationsgebunden, es steigt also der ausstehende Wert bis zur Fälligkeit.Ebenfalls ein Problem: Zwei Drittel aller Assets haben eine Laufzeit über das Jahr 2030 hinaus. Vor allem aber: Die stillen Lasten der gesamten Abwicklungsanstalt addieren sich auf 18 Mrd. Euro – dies ist zwar kein Rekordwert, doch im Jahr 2012 war mit 12,5 Mrd. Euro schon eine niedrigere Summe gemeldet worden.Was erwartet der Eigentümer Bund, vertreten durch das Finanzministerium, vom Vorstandssprecher Müller? Möglichst wenig unangenehme Schlagzeilen, natürlich. Dies liegt aber nicht komplett in der Hand des Chefs, schließlich entscheiden andere über das für die Anstalt wichtige Schicksal der Eurozone. Müller wird daher an einem anderen Ziel gemessen. Er soll für den Bund bis Mitte des nächsten Jahrzehnts Optionen schaffen, um das Portfolio kostengünstig zu halten und so den absehbaren Verlust – das Eigenkapital von 1,5 Mrd. Euro wird künftige rote Zahlen kaum vollständig abpuffern – zu minimieren. Illiquide AssetsDies hört sich einfacher an, als es ist. Denn von dem Zielbild, für ein schlankes Restportfolio nur die Zinszahlungen zu kassieren und die Refinanzierung zu sichern, ohne regelmäßig aktiv die Anlagen restrukturieren zu müssen, ist die FMS Wertmanagement weit entfernt. Dafür ist sie viel zu komplex. Das Motto lautet daher: Komplexität reduzieren, und zwar im Portfolio und bei den Kosten.Die größte Aufmerksamkeit wird das Schicksal der Tochter Depfa erregen. Der Vorstand möchte für die Bank einen Käufer finden. Darüber hinaus gilt es jedoch, auch das übrige Portfolio zu verschlanken. Dies ist deshalb schwierig, weil die Marktgängigkeit der Assets abgenommen hat – kurz: Kein Mensch will die Kapitalanlagen kaufen. Dies liegt nicht nur am Preis, sondern auch daran, dass die vor der Finanzkrise gewählten Konstruktionen aus steuerlichen und aufsichtsrechtlichen Gründen nicht mehr üblich sind. Das Management schätzt, dass 20 bis 30 % des Portfolios extrem illiquide sind.Komplexität und Kosten sind jedoch eng miteinander verkoppelt. Je vielfältiger das Portfolio ist, umso mehr teure IT-Schnittstellen müssen bereitgehalten werden. Dies erschwert es zusätzlich, die Verwaltungskosten beispielsweise durch eine Übertragung des Servicing an Dritte zu flexibilisieren. Zudem sind derlei Einschnitte mit Augenmaß vorzunehmen. Schließlich muss das Management für operative Stabilität und große Professionalität sorgen. Schon heute ist die Fluktuationsquote der Beschäftigten mit 15 % hoch.Eine Option allerdings wird Müller dem Eigentümer kaum bieten können: seiner Verpflichtungen vollkommen ledig zu werden. Ein Verkauf ist undenkbar. Denn die FMS Wertmanagement kommt nur deswegen über die Runden, weil die Eigentümerschaft des Bundes ihr zwei große Vorteile bietet. Erstens profitiert sie von einer extrem günstigen Refinanzierung durch die Garantie der Bundesrepublik. Zweitens muss sie kein Kapital unterlegen.