PERSONEN

Mit 70 Jahren tritt Frank Gotthardt kürzer

Von Helmut Kipp, Frankfurt Börsen-Zeitung, 24.12.2020 Mit dem Jahreswechsel endet bei Compugroup Medical eine Ära: Der Gründer und langjährige CEO Frank Gotthardt gibt die Leitung des auf Software für Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser...

Mit 70 Jahren tritt Frank Gotthardt kürzer

Von Helmut Kipp, FrankfurtMit dem Jahreswechsel endet bei Compugroup Medical eine Ära: Der Gründer und langjährige CEO Frank Gotthardt gibt die Leitung des auf Software für Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser spezialisierten Konzerns ab. Anfang Januar übernimmt mit Dirk Wössner ein familienfremder Manager die Unternehmensführung. Wössner kommt von der Deutschen Telekom, wo er seit Anfang 2018 das Deutschlandgeschäft leitete (vgl. BZ vom 14. Februar).Gotthardt beschränkt sich künftig auf seine Rolle als Vorsitzender des Verwaltungsrats. Dieses Gremium bestimmt bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), als die Compugroup seit Juni firmiert, die Grundlinien der Tätigkeit der Gesellschaft und überwacht deren Umsetzung. Gotthardt bleibt damit die zentrale Instanz des Unternehmens. Ohnehin kontrolliert er über die KGaA-Konstruktion und seine Stellung als Großaktionär den Konzern. Gotthardt selbst hält direkt und über eine Vermögensverwaltungsgesellschaft ein Drittel der Aktien, seine Ehefrau Brigitte weitere 6,3 %.Die operative Führung hat der Firmengründer vor einigen Jahren auf zusätzliche Schultern verteilt. Mit der Vorstandserweiterung im Herbst 2018 gab er die Verantwortung für die wichtigste Sparte Arzt- und Zahnarztsoftware sowie für Apothekeninformationssysteme an Ralph Körfgen ab. Zugleich stieg Hannes Reichl in den Vorstand auf, der das Geschäft mit Krankenhäusern führt, für das er zuvor als Segmentchef unterhalb der Vorstandsebene zuständig war. Vor einem Jahr kam dann Eckart Pech hinzu, der den neuen Bereich Consumer and Health Management Information Systems verantwortet.Mit insgesamt sechs geschäftsführenden Direktoren ist Compugroup in der Managementspitze vergleichsweise breit aufgestellt. Mit dem Amtsantritt Wössners sei keine Neuverteilung von Ressortverantwortlichkeiten in der Geschäftsleitung verbunden, versichert ein Unternehmenssprecher.Keine öffentlichen Aussagen gibt es bisher zu der Frage, wie Gotthardt sein unternehmerisches Erbe regeln will. Nahe läge es, wenn sein Sohn diese Rolle dereinst übernehmen würde, der bereits seit 2003 als Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat in den Konzern involviert ist, überdies 6,7 % der Aktien besitzt und ebenfalls als Unternehmer im E-Health-Bereich unterwegs ist. Daniel Gotthardt (Jahrgang 1973) ist Geschäftsführer der Medikamenten-App Mediteo sowie Alleinvorstand von Gotthardt Healthgroup und XL Health. Zuvor arbeite der habilitierte Mediziner 13 Jahre an der Uniklinik Heidelberg, zuletzt als geschäftsführender Oberarzt.Frank Gotthardt, im August 1950 in Siegen geboren, hat die heutige Compugroup 1987 gegründet und zu einem führenden Softwareanbieter für den Gesundheitssektor gemacht, der im neuen Jahr die Marke von 1 Mrd. Euro Umsatz anpeilt und an der Börse mit mehr als 4 Mrd. Euro bewertet wird. Nach dem Informatikstudium entwickelte er zunächst Software für die Fleischwarenindustrie, doch über seine Frau, praktizierende Zahnärztin, kam er zum Gesundheitswesen. Förderer der Kölner HaieAm Anfang standen Praxissysteme für Zahnärzte, dann kamen Softwareprodukte für Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken dazu. Zuletzt widmete sich der Softwarepionier, der schon lange komplett papierlos arbeitet, der elektronischen Vernetzung des Gesundheitssektors und der Entwicklung neuer Produkte wie der digitalen Patientenakte. Hier war er seiner Zeit wieder einmal voraus – die Digitalisierung des Gesundheitswesens, von der schon viele Jahre die Rede ist, braucht erheblich länger als gedacht.Zu Gotthardts Expansionsstrategie gehörten immer auch Übernahmen. In den allermeisten Fällen handelte es sich um kleine Deals – das große Familienunternehmen Compugroup kaufte kleine auf. Zuletzt holte der Sammler von Oldtimern mit zwei Großakquisitionen zum Doppelschlag aus: Im Sommer wurde der Erwerb von Teilen des IT-Healthcare-Portfolios des US-Konzerns Cerner in Deutschland und Spanien für 225 Mill. Euro abgeschlossen, der dem Klinikgeschäft einen Wachstumsschub verleiht. Es folgte die Übernahme des US-Anbieters von Arztinformationssystemen EMDS für 203 Mill. Euro.Seine zweite Leidenschaft sind die Kölner Haie. Den Eishockeyclub unterstützt er nicht nur als Fan, sondern auch finanziell. Gotthardt ist Hauptgesellschafter der Haie und hat erst unlängst wieder Hilfe zugesagt. Denn das coronabedingte Zuschauerverbot und die Unterbrechung des Spielbetriebs bringen den Club, der vor allem von Zuschauereinnahmen lebt, in existenzielle Nöte.