Näger verabschiedet sich von Heidelberg Cement
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Nach knapp 17 Jahren zieht Lorenz Näger einen Schlussstrich unter seine Zeit als Finanzvorstand von Heidelberg Cement. Einige Monate früher als ursprünglich geplant – sein Vertrag lief bis Mai 2022 – verabschiedet sich der 61-Jährige Ende August in den Ruhestand. Seine Aufgaben übernimmt René Aldach, der derzeit den Bereich Group Reporting, Controlling und Konsolidierung des Baustoffherstellers leitet.
Bereits Ende Mai, als der Wechsel angekündigt wurde, hat Aufsichtsratschef Fritz-Jürgen Heckmann dem scheidenden Manager lobende Worte mit auf den Weg gegeben. Als CFO habe er den Konzern fast zwei Jahrzehnte lang maßgeblich erfolgreich geprägt. Während seiner Amtszeit hätten sich Umsatz und Ergebnis fast verdreifacht und der freie Cash-flow nahezu vervierfacht.
Analysten und Investoren werden die routinierte Art vermissen, mit der Näger regelmäßig das Zahlenwerk präsentierte. In der Finanzszene gilt er als kompetenter und zahlenorientierter Fachmann. Künftig bleibt Näger mehr Zeit, um privaten Schwerpunkten nachzugehen. Der am 22. Mai 1960 geborene Manager interessiert sich für Kunst und Kultur – er gilt als Klassikliebhaber. Außerdem treibt er gern Sport. Er ist mit dem Rennrad unterwegs oder sucht nach Carbonfaserbauteilen fürs Mountainbike. Sein berufliches Know-how bringt er weiter beim Pharmahändler Phoenix als Aufsichtsrat ein, und es wäre alles andere als überraschend, wenn weitere Mandate folgen würden.
Der Berufsweg des promovierten Betriebswirts und Steuerberaters ist eng verknüpft mit Bernd Scheifele, der 15 Jahre den Heidelberg-Cement-Vorstand leitete und Ende Januar 2020 abtrat. Beide wechselten mit wenigen Monaten Abstand von Phoenix in Mannheim nach Heidelberg mit dem Auftrag, den schwächelnden Baustoffstoffhersteller auf Trab zu bringen. Beide genossen das Vertrauen ihres Mentors Adolf Merckle, der damals Heidelberg-Cement-Großaktionär und Phoenix-Eigentümer war.
Mit dem Aufstieg des vorherigen Scheifele-Stellvertreters Dominik von Achten zum neuen CEO avancierte Näger vor eineinhalb Jahren noch zum stellvertretenden Vorstandschef. Nach seinem Ausscheiden wird der gewiefte Finanzexperte keine Funktion mehr bei Heidelberg Cement ausüben, wie es aus dem Unternehmen heißt. Anders Weggefährte Scheifele, der im Jahr 2022 nach der vorgeschriebenen Abkühlungsphase für den Aufsichtsrat kandidieren und den Vorsitz des Kontrollgremiums übernehmen soll.
Eingespieltes Team
Nach BWL-Studium in Regensburg, Swansea in Wales und Mannheim arbeitete Näger zunächst als Prüfungsassistent für den Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. Lipfert GmbH in Stuttgart und als Assistent an der Uni Mannheim. Ab 1991 leitete der gebürtige Ravensburger die Steuerabteilung des Pharmagroßhändlers Ferd. Schulze, der mit dem Konkurrenten Phoenix fusionierte. Bei Phoenix leitete er die Unternehmensentwicklung, stieg 1997 zum Geschäftsführer der Holding für die Auslandsbeteiligungen auf und zog 1999 als CFO in den Vorstand ein. Zum 1. Oktober 2004 wechselte Näger als Finanzchef zu Heidelberg Cement und bildete mit Scheifele ein eingespieltes Team in Sachen Kosten senken und Effizienz.
Bei seinen letzten Auftritten als CFO ließ Näger öfters seine Zufriedenheit über Cash-Generierung und Schuldenabbau durchklingen. Ende Juni belief sich die Nettoverschuldung noch auf das 1,9-Fache des Betriebsgewinns vor Abschreibungen, und Näger geht davon aus, dass der Verschuldungsgrad gegen Jahresende am unteren Ende des Zielkorridors von 1,5 bis 2,0 ankommen wird. Das Rating bewegt sich mit BBB bei S&P und Baa2 bei Moody’s im soliden Investment-Grade-Bereich.
Schwierig sei seine Anfangszeit bei Heidelberg Cement gewesen, als er als Externer notwendige Veränderungen auf den Weg bringen wollte, ließ Näger einmal anklingen. Doch bald änderten sich die Vorzeichen, als Weggefährte Scheifele den CEO-Job übernahm, und es folgten diverse Kostensenkungsprogramme. Die nächste Herausforderung kam mit der Banken- und Finanzkrise. Heidelberg Cement geriet in gefährliches Fahrwasser, weil die Milliardenübernahme von Hanson 2007 die Schulden nach oben getrieben hatte. Näger musste sich mit nervösen Banken und mit Spekulationen auf einen Kreditausfall des Konzerns herumplagen. Nach langwierigen Verhandlungen gelang es, Milliardenschulden zu refinanzieren und die Finanzlage zu stabilisieren. Lange erinnerten mehrere Hochzinsanleihen an diese herausfordernde Zeit. Die letzte ist im April 2020 ausgelaufen.