Natwest-Chefin Alison Rose kommt unter Druck
Natwest-Chefin Alison Rose kommt unter Druck
Von Andreas Hippin, London
Der Skandal um das von der Privatbanksparte Coutts geschlossene Konto von Nigel Farage hat Alison Rose, die Chefin der Mutter Natwest, in Bedrängnis gebracht. Der ehemalige Führer der UK Independence Party (UKIP) hatte behauptet, die Entscheidung sei aus politischen Gründen erfolgt. Daraufhin hatte der BBC-Wirtschaftsredakteur Simon Jack unter Berufung auf mit dem Vorgang vertraute Kreise berichtet, die Schließung sei aus geschäftlichen Gründen erfolgt. Farage verfüge nicht über die erforderlichen Mittel, um beim gleichen Institut seine Bankgeschäfte tätigen zu können wie die britische Königsfamilie. Er wurde daraufhin in ihm nicht wohlgesonnenen Medien lächerlich gemacht. Das Thema schien vom Tisch.
Doch wurde Farage ein 40-seitiges Dokument des „Wealth Reputational Risk Committee“ von Coutts zugespielt, das zeigt, dass sein Konto tatsächlich aus politischen Gründen gekündigt worden war. „Seine öffentlich vorgetragenen Ansichten stehen im Widerspruch zu unserer Position als inklusive Organisation“, heißt es dort. Farage sei ein „hinterlistiger Gauner“, der „fremdenfeindliche, chauvinistische und rassistische“ Ansichten propagiere.
Zudem stellte sich heraus, dass Jack den Abend vor Veröffentlichung seines Berichts beim BBC Correspondents’ Charity Dinner als Nebensitzer von Rose verbracht hatte. Prompt wurde die Frage aufgeworfen, ob sie mit dem BBC-Journalisten über die Angelegenheit gesprochen hatte. Wie der konservative „Telegraph“ unter Berufung auf Teilnehmer der Abendveranstaltung berichtet, „lachten und scherzten“ Rose und Jack zusammen. Prompt wurden Rücktrittsforderungen laut. Für Coutts ist es eine PR-Katastrophe nie dagewesenen Ausmaßes. Farage bestritt nicht, dass er die Mindestanforderungen nicht erfüllt, allerdings sei das für die Bank in der Vergangenheit nie ein Problem gewesen.
Rose entschuldigte sich für die „zutiefst unangemessenen Kommentare” zu seiner Person in dem Dokument öffentlich bei Farage. „Ich glaube sehr stark daran, dass Meinungsfreiheit und Zugang zu Bankdienstleistungen zu den Grundlagen unserer Gesellschaft gehören“, schrieb die Natwest-Chefin an das auch unter dem Namen „Mr. Brexit“ bekannte Enfant terrible der britischen Politik. Zugleich betonte sie, dass die Kommentare in dem Dokument nicht die Sichtweise der Bank widerspiegelten. Sie bot allerdings nicht an, das Konto wiederherzustellen, sondern offerierte lediglich eine Alternative bei der Mutter Natwest.
Die 53-jährige Mutter zweier Kinder ist bei der Bank, seitdem sie nach ihrem Abschluss an der Durham University 1992 als Trainee zu Natwest kam. Sie stieg Schritt für Schritt auf, während das Institut unter der Führung von Fred Goodwin, der auch „Fred the Shred“ genannt wurde, in die Liga der weltgrößten Institute strebte – damals noch unter dem Namen Royal Bank of Scotland. Nach dem Zusammenbruch der Allmachtsfantasien und der Rettung durch den Steuerzahler wurde sie von Ross McEwan gebeten, an einer strategischen Überprüfung der Gruppe mitzuarbeiten. Rose führte zuvor die Sparte Commercial & Private Banking und war stellvertretende Chefin von Natwest Holdings. Zu den zahlreichen Positionen, die sie bereits innehatte, gehören Head of EMEA Corporate Coverage & Client Management, Head of Non-Investment Grade Origination und Head of Leveraged Finance für Großbritannien und Europa. Als sie 2019 den Chefsessel übernahm, war sie die erste Frau an der Spitze einer britischen Großbank.